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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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das Garn mit ihrem Mund durch ein kleines Loch gesogen, um ihn einzufädeln. Stückchen aus Baumwolle hatte meine Mutter in den Hals bekommen, über Jahre hatte sie kleine Abfälle geschluckt.

    Wir lebten im Westen des Landes. Meine Großmutter wohnte ein paar Dörfer weiter. Sie hatte graues Haar, das sie im Nacken zu einem Knoten steckte, und die schönsten Lippen der Welt, wie alle sagten. Ihre Augen waren schwarz, wie die meiner Mutter, die als Kind versucht hatte, sie mit Seife heller zu waschen, weil irgendwer im Dorf Zigeunermädchen zu ihr gesagt hatte. Meine Großmutter wohnte in einem rostfarbenen Haus, umgeben von Feldern und Gärten. Jeden Sonntag lief sie länger als eine Stunde zur Kirche, zwischen Feldern, dem Geläut der Glocken entgegen, das lauter wurde, mit jedem Schritt. Kurz bevor die Kirche hinter einer Reihe von Bäumen auftauchte, kreuzte sie den Weg der anderen, die genau wie sie unter den Blicken des Pfarrers die Hände über ihrem Gesangbuch zusammenlegten. Nicht einen Sonntag ließ sie aus. Sie ging selbst dann, wenn sie so hustete, daß sie nicht mehr reden konnte. Sie glaubte, gerade jetzt müsse sie gehen, weil der Husten aufhöre, sobald sie in die Kirche kam, und es war wirklich so: Der Husten hörte auf, sobald sie die Kirche betrat.

    Meine Großmutter deutete unsere Träume. Wenn wir schlecht träumten, sagte sie, es sei gut, und wenn wir Schönes träumten, sagte sie, wir hätten Grund zur Sorge. Vielleicht erfand sie diese Dinge auch, manchmal schien das Gesetz nicht zu stimmen. Ein geschnürtes Päckchen auf dem Rücken bedeutete langer Weg ohne Rückkehr. Tiefe, schmutzige Wasser sagten schwere Krankheit voraus.

    Wenn ich bei ihr war, schmierte meine Großmutter Schmalzbrote, die ich schweigend am Küchentisch aß. Von der Lampe über mir hing ein Klebestreifen, der schwarz von Fliegen war. Ich fragte mich, wie sie starben, diese Fliegen, an was. Konnte man sterben, weil man festklebte? An Sommerabenden saßen wir im Hof und warteten, bis es um uns herum blau wurde, bis der Himmel näher kam und die ersten zwei, drei Sterne zeigte. Meine Großmutter stellte keine Fragen. Manchmal blieb ich ganze Tage, auch über Nacht. Ich mochte die Stille in ihrem Haus, die Schatten auf ihrem Hof. Nachts kam das einzige Geräusch von einem Hund, der an seiner Leine zerrte. Ich wußte, niemand sorgte sich, niemand vermißte mich. Nur Isti schaute mich an mit einem Blick voller Vorwürfe, wenn ich zurückkam und mich ankündigte mit der Fahrradklingel. Es dauerte Stunden, bis er wieder mit mir sprach.

    Als meine Mutter noch bei uns war, fuhren wir oft mit dem Zug. Ich glaubte, wir ließen keinen Weg aus, der uns irgendwohin führte, keinen Ort, an dem wir irgendwen kannten, wenn auch noch so flüchtig. Wenn wir aus dem Zug stiegen, spuckte unsere Mutter auf einen Kamm, scheitelte unser Haar und zupfte an unseren Kleidern. Sie nutzte jede Gelegenheit, meinen Bruder und mich vorzuzeigen, obwohl wir niemals Kinder zum Vorzeigen waren. Isti sah so aus, daß man heimlich fragte, wie krank er sei. Und ich, ich sah aus wie ein Junge. Bevor meine Haare an die Schultern reichten, schnitt sie mein Vater wieder kurz. Später war ich davon überzeugt, diese Ausflüge gehörten zu ihrem Plan, uns zu verlassen. Fanden andere Gefallen an uns, konnte sich unsere Mutter leichter verabschieden. Ich mochte sie trotzdem. Meinen Bruder hat sie einmal geohrfeigt. Als er anfing zu weinen, weinte sie auch.

    Unser Haus, das war eine Küche, eine Speis und ein Zimmer. Meine Eltern schliefen zusammen in einem Bett und Isti und ich auf zwei Liegen neben dem Bett meiner Eltern. Mein Vater schnarchte, meine Mutter atmete unruhig, und Isti sprach im Schlaf. Er redete mit unserem Hund, den wir heimlich Kovács nannten. Mein Vater hatte uns verboten, dem Hund einen Namen zu geben. Er sei nichts als ein dreckiger kleiner Köter, sagte er, mit allen Flöhen und Zecken, die man auf unserem Hof kriegen könne, unserem Hof, der jetzt, in meiner Erinnerung, nicht mehr ist als etwas Lehm und Kies hinter einem Zaun, dazu ein Taubenhaus und drei Akazien vor einem Graben.

    Wir lebten allein, für uns. Besuch kam selten. An Ostern stürmten ein paar Jungen aus dem Dorf unser Haus und besprenkelten meine Mutter und mich mit Kölnisch Wasser. Frohe Osterfeiertage!, brüllten sie und ließen sich von meinem Vater ein Geldstück in die Hand drükken. Tagelang blieb der Geruch von Kölnisch Wasser an meinem Hals, an meinen Armen. Wofür

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