Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
gerötet war, blickte er mich so direkt, so nüchtern an, dass ich mich besorgt fragte, ob ich ihn mit irgendetwas verärgert hatte. Doch mir fiel nichts ein, was das hätte sein können. Wie er war ich vollauf damit beschäftigt gewesen, die Granden neben mir mit Geplauder zu unterhalten und Interesse an jeder eingestreuten Anekdote oder Bemerkung vorzugeben.
    Bevor ich etwas sagen konnte, legte sich seine Hand auf die meine. »Du darfst keine Angst haben«, flüsterte er. »Ich verspreche dir, dass ich sie alle hinauswerfe, ohne jede Ausnahme. Außer uns wird es im Schlafgemach keine Zeugen geben.« In sein Auge trat ein Schimmern. »Ich denke, dass keiner noch mehr Beweise verlangen wird, wenn wir danach das Bettlaken hinaushängen.«
    Ich wagte nicht wegzublicken. Gleichzeitig rätselte ich darüber, ob ihn irgendjemand am Tisch gehört hatte. Ebenso wenig war mir klar, ob ich schockiert oder erleichtert sein sollte, als er mich gleich darauf von meinem Stuhl hochzog und von der längst verwüsteten Tafel wegführte, um den Tanz zu eröffnen. Wir hatten lediglich beim ersten Stück vor aller Augen aufzutreten, ehe man uns zu unserem Schlafgemach geleitete. Doch als die Musik anschwoll und uns in ihren unsichtbaren Kokon hüllte, fiel mir wieder unser erster Tanz ein. Damals waren wir noch halbe Kinder gewesen, Fremde an einem fremden Hof. Ich hatte ihm wegen seiner Frechheit eine Abfuhr erteilt, ohne zu ahnen, dass er unsere jeweiligen späteren Kämpfe vorausgesehen hatte. Jetzt waren wir Frau und Mann auf der Schwelle zu einem gemeinsamen Leben, und ich genoss mein frisch erworbenes Recht, vor aller Augen seine Hand zu ergreifen in dem Wissen, dass ich zu guter Letzt sein war. Und in der Vorfreude darauf, mich meiner Tanzleidenschaft hinzugeben, die ich so lange hatte unterdrücken müssen, vergaß ich meine Angst vor der Hochzeitsnacht. Mir fiel auf, dass Fernando es trotz all der Probleme in Aragón offenbar nicht versäumt hatte, für die Ereignisse am Hof zu üben. Er tanzte elegant und voller Überschwang. Und der plötzliche Kuss, den er mir auf die Lippen drückte, als wir uns zu den Höflingen umdrehten, sorgte erneut für einen Beifallssturm.
    Ohne Zweifel errötete ich bis zu den Haarwurzeln, als wir gleich danach von der johlenden Menge in getrennte Gemächer gedrängt wurden, wo unsere Diener schon darauf warteten, uns vorzubereiten. Bevor Fernando in sein Gemach trat, blickte er über die Schulter zu mir, und ich sah in seinem Lächeln wieder dieselbe unerschütterliche Zuversicht wie damals.
    Beatriz und Inés hatten mein besticktes Seidenhemd und die Damastrobe für mich ausgebreitet. Als sie mich nun entkleideten und mir den Schleier abnahmen, sorgfältig darauf bedacht, die mir ins Haar geflochtenen Blumen nicht durcheinanderzubringen, hielt ich das Schweigen nicht länger aus.
    »Und?« Ich funkelte sie an. »Will keine von euch mir irgendetwas sagen? Wollt ihr mich in diese Schlafkammer wie ein Lamm zum Schlachten führen?«
    Inés schnappte nach Luft. »Das ist die Hochzeitsnacht Eurer Hoheit und keine Kreuzigung! Was kann ich Euch da schon sagen? Ich bin eine Jungfrau.« Sie warf Beatriz einen vielsagenden Blick zu. Diese wiederum schürzte die Lippen, als unterdrückte sie ein Lächeln.
    »Was will Eure Hoheit denn wissen?«, fragte Beatriz schließlich.
    »Die Wahrheit.« Ich zögerte. Meine Stimme sank zu einem Flüstern. »Wird … wird es wehtun?«
    »Ja. Am Anfang zumindest. Das ist normal. Aber wenn er es sanft macht, was er auch sollte, werdet Ihr es nach ein paar Malen kaum noch spüren. Und noch ein paar Male mehr … Na gut, das sollt Ihr dann selbst entscheiden.« Jetzt konnte Beatriz ihr Lächeln nicht länger verbergen; es kräuselte ihre Mundwinkel – so wie in unserer Kindheit, wenn sie Schabernack getrieben hatte.
    Fast hätte ich gekichert. Plötzlich kam ich mir lächerlich vor mit meiner Angst vor dem Bett, in dem ich nun eben liegen musste nach allem, was ich auf mich genommen hatte, um dorthin zu gelangen. Ich hob das Kinn, wandte mich, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, zur Tür und marschierte über den kurzen Korridor zum Brautgemach, vor dem sich die Menge bereits versammelt hatte. Ich ignorierte sie einfach und trat in den von Kerzen beleuchteten Raum, der von einem großen, mit Brokat drapierten Baldachinbett beherrscht wurde. Fernando stand dort, einen Kelch in der Hand, inmitten seines kleinen Gefolges aus Edelmännern.
    Er blickte auf. Bekleidet war er

Weitere Kostenlose Bücher