Der Schwur der Königin
mit einer offenen Stoffrobe in gedecktem Rot. Unter den losen Schnürbändern seines knielangen Hemdes konnte ich seine muskulöse, bronzefarbene Brust sehen. Ohne hinschauen zu müssen, wusste ich, dass sein Kelch Wein enthielt. Sein Geruch hing in der Luft – ein schwerer Rioja, der sich mit dem parfümierten Bienenwachs der Kerzen im Kandelaber mischte.
Schweigend blickte er mich mit solcher Intensität an, dass sogar die wild spekulierende Meute draußen verstummte.
»Hinaus«, sagte er schließlich, ohne die Augen von mir zu wenden, »und zwar alle.«
Beatriz kam auf mich zugeeilt, um mir mit meiner Robe zu helfen, aber ich winkte sie fort. So führte sie Inés zur Tür, wo sie sich vor den wenigen verbliebenen Hartnäckigen aufbaute, die es für ihr Recht hielten, bei meiner Entjungferung dabei zu sein, denn genau das war die barbarische Sitte an jedem europäischen Königshof. Mit einer empörten Handbewegung verscheuchte sie die Kerle und zog energisch die Tür hinter sich zu.
Endlich waren Fernando und ich allein.
Es fiel mir schwer zu glauben, dass er jetzt wirklich mein Mann war. Seine geringe Größe machte er mit seiner Lebenskraft und Ausstrahlung mehr als wett. Dank seiner kräftigen Nase, den durchdringenden Augen, den wohlgeformten Lippen und der breiten Stirn war er für mich der vielleicht schönste Mann, den ich je gesehen hatte. Dieses Eindrucks wurde ich mir mit einer Distanziertheit bewusst, die mich angesichts der momentanen Umstände verblüffte. Mein Herz schlug ganz ruhig. Meine Handflächen waren nicht feucht. Ich verspürte nichts von der Erregung, die mich vorhin befallen hatte. Fast war mir, als hätte nun, da es tatsächlich geschehen sollte, eine gegen alle Anfechtungen erhabene Ruhe den Tumult bezwungen, den ich eigentlich empfinden müsste.
Männer und Frauen hatten das seit Urzeiten getan, und soweit ich das beurteilen konnte, war niemand daran gestorben.
»Möchtest du …?« Er deutete auf die Karaffe und einen zweiten Kelch auf der Anrichte. »Von uns wird erwartet, dass wir im Bett gemeinsam aus einem Becher trinken. Nackt.«
»Ich weiß.« Seine Anspielung auf das, was er uns erspart hatte, entlockte mir ein mattes Lächeln. »Aber ich mag keinen Wein. Davon bekomme ich nur Kopfschmerzen.«
Er nickte, dann stellte er seinen Kelch beiseite. »Ich auch. Ich trinke fast nie. Nur heute Abend hatte ich das Gefühl, es sei nötig.« Er verstummte. Seine Hände, die jetzt frei waren, hingen unbeholfen herab, als wüsste er nicht, wohin damit.
»Warum?«, fragte ich.
Er runzelte verwirrt die Stirn. »Was?«
»Warum hast du es für nötig gehalten? Bist du nervös?«, platzte ich heraus, bevor es mir bewusst wurde. Im selben Atemzug fragte ich mich, warum ich gefragt hatte. Als ob jemals ein Mann in der Hochzeitsnacht zugeben würde, dass er nervös war.
»Ja«, sagte er leise und brachte mich damit völlig durcheinander, »und wie. So habe ich mich noch nie gefühlt, nicht einmal, bevor ich in eine Schlacht gezogen bin.« Er schlug sein Hemd auseinander und zeigte mir mehr von seiner Brust. Sie schimmerte wie brauner Samt. In der flachen Rinne in der Mitte des muskulösen, breiten Brustkastens wuchsen straffe, sich kringelnde dunkle Haare. »Mein Herz rast«, sagte er. »Spürst du es?«
Ich hob die Hand, legte sie auf seine Haut. Er hatte recht. Ich konnte fühlen, wie heftig sein Herz pochte.
»Ich kann gar nicht glauben, dass du mein bist«, flüsterte er und drückte damit auch meine Gedanken aus. Unverwandt blickte er mir in die Augen, denn ohne Schuhe waren wir fast gleich groß. Plötzlich befiel mich eine Erinnerung an unsere ineinander verschlungenen Finger, daran, wie ich gedacht hatte, sie würden zwei getrennten Strängen vom selben Wollknäuel ähneln …
»Tanto monta, monta tanto« , wisperte ich.
Er blinzelte. »Was?«
»Das soll unser Spruch werden. Es bedeutet: ›Wir sind ein und dasselbe.‹« Ich zögerte. »Hast du das nicht gelesen? Ich habe es in unsere Ehevereinbarung eintragen lassen.«
»Ich habe unseren Vertrag gelesen«, erwiderte er mit rauer Stimme. »Aber um ehrlich zu sein, habe ich nicht darauf geachtet. Das Einzige, worauf es mir ankam, war, dass du mir gehörst.« Seine Hände legten sich an meine Wangen, und er zog mich näher zu sich. »Ganz mir«, flüsterte er und küsste mich. Damit löste er in mir ein jähes Aufblühen von Empfindungen aus, als entfaltete sich in meinem Inneren auf einen Schlag ein ganzes Feld von
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