Der Schwur der Königin
in die leuchtenden Gesichter Hunderter von Menschen, die in ihrem Eifer, an unserer Freude teilzuhaben, für einen Moment all ihren eigenen Kummer vergaßen. Und ihre Euphorie steckte mich an.
»Wir tun das für sie, um ihnen Gerechtigkeit und Ehre zu bringen«, sagte ich. »Um ihnen Frieden zu bringen.«
Fernando schmunzelte. »Ja. Aber später ist auch noch genug Zeit, um für sie zu sorgen. Der heutige Tag gehört uns, meine Gemahlin.« Und bevor ich seine Absicht begriff, zog er mich vor unserem Hofstaat, vor unseren zukünftigen Untertanen an sich und küsste mich voller zügelloser Leidenschaft – es war unser erster richtiger Kuss als Ehepaar.
Sein Mund war warm. Er schmeckte nach einem rätselhaften Gewürz und enthielt einen Hauch von Rotwein. Sein Körper war wie gemeißelt und fühlte sich unglaublich stark an. Seine Arme schlossen sich um mich wie Flügel aus reinen Muskeln, schützend und alles umfassend und weckten in mir das Verlangen, in ihnen zu schmelzen. Ich – die ich noch nie diesen von den Dichtern so oft gefeierten Drang des Fleisches empfunden hatte – fühlte plötzlich eine solche Hitze in mir, dass ich unwillkürlich aufkeuchte. Wieder lachte er leise, nur war seine Heiterkeit diesmal durchdrungen von einer unverkennbaren Absicht, und ich spürte, wie er, gegen meine Oberschenkel gepresst, immer härter wurde.
Als er sich schließlich von mir löste, lag immer noch der Kitzel seines Kusses auf meinen Lippen, und der ganze Balkon schien zu schwanken. Vom Hof stiegen anzügliche Pfiffe und heftiger Beifall zu uns empor.
»Du errötest ja«, stellte er fest. Da biss ich mir jäh auf die Unterlippe. Lieber wollte ich Schmerz spüren statt dieses fieberhafte Begehren. Nervös spähte ich zu den Zuschauern im Bankettsaal hinunter, die ausnahmslos – bis hin zu den Bedienungen und Pagen – ihre Tätigkeiten unterbrochen hatten, um uns zu beobachten.
»Muss denn alles, was wir tun, für die Nachwelt festgehalten werden?«, beschwerte ich mich.
Mit einem herzhaften Lachen warf Fernando den Kopf zurück. Dabei wirkte er so dreist, dass ich mich fragte, ob er sich überhaupt je um Konventionen scherte. Einmal mehr wurde ich daran erinnert, dass er immer noch ein Fremder für mich war. Dann atmete ich tief durch, und es gelang mir, meine Bedenken zu zerstreuen. Er war ein Mann, und Männer zeigten gern, was sie alles konnten, nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in der Bettkammer. Da war es nur natürlich, dass er seine Ansprüche auf mich für jeden erkennbar machte.
Und ich konnte nicht leugnen, dass es mir behagte, von ihm beansprucht zu werden.
Als wir auf unser mit Girlanden geschmücktes Podest stiegen, begegnete ich Beatriz’ wissendem Blick. Wie gern hätte ich mich mit ihr hinausgeschlichen! Plötzlich hatte ich tausend dringende Fragen. So, wie Fernando mich geküsst hatte, war ich mir sicher, dass er schon Erfahrung in fleischlichen Dingen hatte. Und ich wollte nicht diejenige sein, die ihn enttäuschte, auch wenn mir ein Rätsel war, wie sich das verhindern ließe. Kurz, ich befand mich in einer heiklen Lage. Jungfräulichkeit wurde von mir nicht nur erwartet, sie war vielmehr derjenige Aspekt, den Prinzen bei einer Braut zwingend voraussetzten. Doch jetzt bereitete es mir Sorgen, dass ich vielleicht gar nicht in der Lage sein würde, meinen Prinzen auf all die Arten zu befriedigen, die er möglicherweise schon gewöhnt war.
Mir verging der Hunger, obwohl sich die Servierplatten unter Spanferkel vom Spieß, Entenbraten und Reiher in Pflaumen- und Feigensoße förmlich bogen. Unentwegt glitt mein Blick zu Fernandos breiten Händen, während er sein Fleisch zerschnitt oder den Kelch hob. Auch wenn er auf Wein verzichtete und lieber den schwächeren Most trank, zeigte er einen gesunden Appetit. Wann immer Carrillo ihm etwas ins Ohr flüsterte – der Erzbischof saß als unser geschätzter Ratgeber zu seiner Linken –, brach er in ausgelassenes Lachen aus, während er die Glückwünsche aller anderen, die auf das Podest zutraten, mit einem Lächeln quittierte. Er wirkte nicht so, als beunruhigte ihn unsere bevorstehende Hochzeitsnacht, wohingegen sie sich in meiner Vorstellung zu einem riesigen Fallgitter vor einer unbekannten Welt auswuchs.
Beim letzten Gang, kurz bevor es ans Tanzen ging, spürte ich bei ihm einen Stimmungswandel. Abrupt stellte er seinen Kelch ab und wandte sich mir zu. In einem Saal, wo jedes andere Gesicht von überreichlichem Weingenuss
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