Der Schwur der Königin
stehen geblieben.
Aber natürlich hatte die Zeit nichts dergleichen getan, und am Ende mussten wir das Bett verlassen, um meinem Halbbruder einen sorgfältig formulierten Brief zu senden. Carrillo hatte uns mitgeteilt, dass Enrique in dem Moment, da er die Nachricht von unserer Hochzeit vernahm, seine Belagerung in Andalusien sofort aufgehoben hatte und nach Kastilien zurückgekehrt war. Während des gesamten Ritts hatte er geschwiegen, und nicht einmal Villena war es gelungen, ihm ein Wort zu entlocken. In meinem Brief, den wir zusammen im Bett zwischen heißblütigen Liebesakten verfassten, nicht ohne endlos an unseren Federn zu kauen und uns gegenseitig mit Tinte vollzuklecksen, bat ich Enrique inständig um Verständnis. Das Schreiben war unsere erste gemeinsame politische Handlung als Ehepaar. Damit verfolgten wir die Absicht, zum einen unseren neuen Status bekannt zu geben, aber auch zu betonen, dass wir weiterhin treu zu ihm, dem König, standen. Gleichwohl plagte mich die Sorge, dass Enrique sich vielleicht schon zu einem Vergeltungsschlag entschlossen hatte und dass nichts, was wir sagten oder taten, ihn noch davon abbringen konnte.
Solange der Winter das Land im Griff hatte, blieb uns nichts anderes übrig, als abzuwarten. Irgendwann verließen Fernando und ich das Bett und setzten uns vor den Kamin. Jetzt begannen wir, unsere gemeinsamen Interessen auszuloten. Wir entdeckten, dass wir beide Schach und Kartenspiele liebten und leidenschaftlich gern ritten. Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass er zwar mit großer Freude jagte, jedoch wie ich den Stierkampf verabscheute. Die corrida war für ihn reine Barbarei, und übereinstimmend stellten wir fest, dass wir eine solche Veranstaltung niemals erlauben würden, selbst wenn sie uns zu Ehren abgehalten werden sollte. Übermäßiges Gepränge störte ihn genauso wie mich, denn auch er war an einem verarmten Hof aufgewachsen, wo es auf jede Münze ankam. Und – das war das Wichtigste – er teilte meine optimistische Grundhaltung, die Dinge unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, was verwirklicht werden konnte, und nicht danach, was alles verloren gegangen war. Er strotzte vor Selbstvertrauen und mochte keinen Widerspruch. In diesen ersten Tagen begnügte ich mich damit, ihn einfach reden zu lassen und ihm dabei zuzuschauen, wie er durch unser Gemach stolzierte und seine Vision von unserer Zukunft vortrug, während ich vor dem Kamin saß und für ihn Strumpfhosen und Hemden stopfte.
»Pfeile und ein Joch«, verkündete er mit leuchtenden Augen. »Das wird unser Sinnspruch sein: flechas für Fernando und yugo für Isabella – unser Symbol, und darüber wird unser Tanto monta prangen. Ein treffliches Emblem für das künftige Königspaar von Kastilien, findest du nicht auch?«
Lächelnd hielt ich sein ausgebessertes Hemd hoch. Doch als er die sehnigen Arme durch die Ärmel schob und ich die Silhouette seines Oberkörpers durch das allzu oft gewaschene und geflickte Gewebe hindurch erkennen konnte, musste ich einen plötzlichen Anflug von Panik verbergen.
Fernando, der wie so oft mit geradezu unheimlicher Feinfühligkeit die Veränderung bei mir spürte, umfasste mein Kinn und hob es, bis ich ihm ins Gesicht schaute. »Was hast du?«, flüsterte er. »Was macht meine Luna so traurig?«
»Das weißt du doch«, erwiderte ich.
Er zögerte. »Enrique«, sagte er schließlich.
Ich nickte. »Er hat auf unseren Brief immer noch nicht geantwortet. Wie lange, glaubst du, wird er uns warten lassen? Wir haben kein Geld, Fernando. Als Prinzessin hätte mir eigentlich längst eine Reihe von Städten als mein Eigentum übergeben werden müssen, aber bisher ist diesbezüglich nichts unternommen worden. All das hier« – mit einer ausladenden Geste umfasste ich den Palast – »wird uns gegenwärtig von Carrillo bezahlt. Wir sind in allem von ihm abhängig.«
»Aber wir haben in unserem Brief um das gebeten, was dir zusteht. Enrique wird uns doch sicher nicht verwehren, ein unserem Rang entsprechendes Leben zu führen. Es ist ja nicht so, als ob wir viel benötigen würden.«
Ich seufzte. »Du kennst ihn nicht. Sein Schweigen beunruhigt mich. Ich fürchte, dass er vorhat, uns in eine Falle zu locken.«
»Aber wir sind jetzt verheiratet, und du bist seine offizielle Erbin. Was kann er uns da noch anhaben?«
Ich schüttelte den Kopf und nahm ein weiteres von seinen Hemden aus dem Korb zu meinen Füßen. »Das weiß ich nicht. Aber was immer es ist, wir müssen
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