Der Schwur der Königin
bin ich mit dem Inhalt unseres Ehevertrags wohlvertraut und …«
»Nein!« Fernando knallte den Kelch so heftig auf die Anrichte, dass Isabél in ihrer Wiege hochschreckte und zu weinen begann. Sofort stürzte ich zu ihr und nahm sie in die Arme, während ich meinen Mann wütend anblitzte. »Lass mich das mit Carrillo regeln«, knurrte er und stapfte hinaus, die Schultern entschlossen gestrafft.
Koseworte flüsternd, wiegte ich Isabél. Von der Ecke, wo sie auf einem Polsterstuhl saß und schweigend einen meiner Röcke ausbesserte, blickte mich Inés an, eine Augenbraue fragend hochgezogen.
Am nächsten Tag legte ich meine beste Robe an, ein schönes Stück aus grauer Wolle, band mir ein vergoldetes Netz über das Haar und begab mich zum großen Saal. Als ich die Tür öffnete, starrten Carrillo und Fernando einander über den Tisch hinweg an, wärend Admiral Fadrique und Chacón mit entschieden betretener Miene an der Seite standen.
»Ihr wisst nichts darüber, wie wir hier in Kastilien die Angelegenheiten erledigen«, sagte Carrillo gerade, das Gesicht vor Zorn puterrot. »Das hier ist keine Provinz im aragonischen Hinterland, wo Ihr nach Belieben über die Städte verfügen könnt.«
Fernando fuchtelte mit einem Papierbogen herum. »Seht her, alter Mann! Das ist vom Bürgermeister von Toro persönlich. Er hat uns angeboten, seine Stadt zu übernehmen. Was braucht Ihr mehr, hm? Sollen wir in Stein gemeißelte Proklamationen verlangen? Wird das Eurem aufgeblähten Stolz genügen?«
»Wir brauchen die Zustimmung der Prinzessin«, blaffte Carrillo.
Als ich sah, wie Fernando die Hand zur Faust ballte, trat ich in den Saal. »Hier bin ich, hohe Herren. Ihr könnt mich persönlich darum bitten.«
Die Miene des Admirals hellte sich auf vor Erleichterung. Fernando war wütend, wie ich auf den ersten Blick erkannte, doch da er keine Wahl hatte, hielt er sich zurück. Wegen einer Klausel in unserem Ehevertrag, die ihn dazu verpflichtete, Kastiliens Vormacht über sein eigenes Reich zu bestätigen, hatte ihn der Erzbischof im Würgegriff. Mein Instinkt hatte mich nicht getrogen: Fernando brauchte mich hier, obwohl er das nie zugegeben hätte.
Ich setzte mich an den Tisch, auf dem Dokumente und Federn verstreut herumlagen. »Was steht denn zur Debatte?«, fragte ich, unschuldig von einem zum anderen schauend.
Con blandura , hielt ich mir vor. Mit Fingerspitzengefühl konnte man fast alles erreichen – selbst bei Hitzköpfen wie diesen beiden hier.
Carrillo verneigte sich. »Eure Hoheit, es tut mir sehr leid, Euch zu behelligen, aber Seine Hoheit und ich scheinen uneins zu sein, was die Frage der …«
»Es geht um Folgendes«, unterbrach Fernando ihn und breitete das Dokument vor mir aus. »Seine Eminenz, der Erzbischof, scheint der Meinung zu sein, dass wir davon absehen sollten, unsere Rechte durchzusetzen, obwohl es doch so deutlich zu erkennen ist wie die Nase in seinem Gesicht, dass Enrique und Villena Boden verlieren – wertvolles Gelände – und wir das ausnützen sollten.«
»Oh?« Ich las das Dokument durch. Als mir seine möglichen Folgen dämmerten, schlug mein Herz schneller. Darin hieß es, dass Enrique bestrebt war, Joanna la Beltraneja mit dem portugiesischen König zu verloben und die Königin nach Segovia zu holen, damit sie vor dem Altar schwor, dass das Kind von ihm stamme. Ungläubig sah ich auf. »Ich … ich soll aller meiner Rechte als Prinzessin beraubt werden. Er hat mich offiziell enterbt!«
»Lies weiter.« Fernando pochte auf das Papier. Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Durch den pulsierenden Dunst, in dem ich versank, sprangen mir vereinzelte Wörter entgegen. Keines ergab einen Sinn. Schließlich gestand ich flüsternd: »Ich kann das nicht lesen. Was steht darin?«
Fernando blitzte Carrillo an. »Es bedeutet, dass Enrique mit deiner Enterbung seinen letzten Fehler gemacht hat. Das Volk ist in Aufruhr: Von Biskaya bis Jaén und in jeder Stadt dazwischen protestieren die Leute gegen deine Enterbung und strömen auf die Straßen.« Er sprach schneller. »Ávila hat Villenas Henkersknechte hinausgeworfen; Medina del Campo schwört, bis zum Tod für dich zu kämpfen. Überall ist die Rede davon, dass Joanna la Beltraneja der Bastard einer ehebrecherischen Hure ist und du Kastiliens einzige Thronfolgerin bist. Das Volk will dich, Isabella – dieses Dokument ist eine Einladung der Stadt Toro an dich, dort Einzug zu halten. Wir haben Dutzende ähnlicher Angebote aus ganz
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