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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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weitergeht wie bisher, wird Kastilien bis zum Dreikönigsfest unser sein.«
    Er war ganz in seinem Element, als er Kettenhemd und Brustpanzer anlegte, um Soldaten hinter sich zu scharen. Das waren zum einen die Männer des Admirals, aber auch die Truppen, die Medina Sidonia aus dem Süden geschickt hatte. Aus dieser Streitmacht bildete er nun wirkungsvolle Infiltrationseinheiten, die in der Lage waren, in tiefster Nacht über Mauern zu klettern, Tore zu entriegeln und königliche Garnisonen zu überwältigen. Bis zur Mitte des Jahres 1472 hatten wir mehr als die Hälfte der vierzehn großen Städte in Kastilien unter unserer Kontrolle, und Anfang 1473 fühlten wir uns sicher genug, um endlich Dueñas zu verlassen und zu einer großen, neuen Residenz in Aranda de Duero in der Nähe von Valladolid weiterzuziehen. Nachdem wir uns in unserer prunkvollen neuen Burg niedergelassen hatten, begannen sogar die aufsässigen Granden, die es bisher vorgezogen hatten, Enrique und seinen niederträchtigen Günstling zu unterstützen, uns verklausulierte Hilfezusagen zu senden. »Kein Zweifel«, bemerkte Fernando dazu ätzend, »sie wissen genau, dass ich sonst ihre Burgen schleife, ihnen die Trümmer um die Ohren schlage und obendrein ihre Schädel aufspieße.«
    Auch wenn ich das nie laut zugegeben hätte, bewies mir dieser Kommentar mehr als alles andere, wie recht Carrillo mit seiner unklugerweise im falschen Moment angebrachten Feststellung gehabt hatte, dass Fernando die Mentalität Kastiliens nicht verstand. Die Granden zu drangsalieren wäre sinnlos, ja, gefährlich. Für diese Edelmänner, die seit Jahrhunderten dem König zugleich zugesetzt und geschmeichelt und ihn ignoriert hatten, stellten Stolz und Ehrgeiz die zwei Seiten ein und derselben Medaille dar. Sie mussten geködert und gefügig gemacht werden, ohne dass sie etwas davon merkten. Ansonsten würden sie zubeißen wie die wilden Hunde, die sie im Grunde ihres Herzens waren. In meiner Kindheit hatte ich das ständig beobachtet und konnte aus eigener Erfahrung das Chaos bezeugen, das Enrique mit seinen Versuchen, die Fraktionen der Granden zu befrieden, verursacht hatte. Ich hatte noch gut in Erinnerung, wie ihn die tödlichen Intrigen und Allianzen gelähmt und zu einer Vogelscheuche degradiert hatten, die sich jeweils nach dem stärksten Wind drehen musste.
    Während Fernando in jenem Jahr die militärischen Angelegenheiten in die Hand nahm, regelte ich also die diplomatischen Aspekte, quälte mich endlose Stunden mit dem Verfassen von Briefen, bis mir die Fingerkuppen bluteten und bunte Punkte vor den geröteten Augen tanzten. Jedes Schreiben, das ich erhielt, beantwortete ich persönlich. Niemals ließ ich eine Gelegenheit aus, mich nach einem kranken Familienmitglied zu erkundigen, zu einer Geburt zu gratulieren oder bei einem Todesfall mein Beileid auszusprechen – kurz, ich war entschlossen, mich bei diesen überheblichen Fürsten, die uns ebenso leicht vernichtend schlagen wie verteidigen konnten, in Erinnerung zu rufen. Und während meine kleine Isabél sich neben mir mit ihren Spielsachen vergnügte oder in ihrer gepolsterten Wiege vor dem Kamin schlummerte, arbeitete ich so schwer wie noch nie zuvor, denn ich wusste, dass ich mit diesen scheinbar kleinen Gesten der Anerkennung, diesem einfachen Austausch von Nachrichten und Freundlichkeiten die Granden vielleicht für mich gewinnen konnte, wenn ich am dringendsten auf sie angewiesen war.
    Und bei all meinem Bemühen konnte ich mir lebhaft Enriques Verzweiflung vorstellen, der wieder einmal hilflos zusah, wie sein Reich sich gegen ihn wandte. Selbst Villena, so schien es, hatte die Belastung, erleben zu müssen, wie sein Macht- und Lügengebäude zerbröckelte, krank gemacht. Auch wenn ich nicht zu Schadenfreude neigte, bereitete es mir dennoch Genugtuung, dass ich dank Villenas Schwächung endlich eine Gelegenheit bekam, meine Mutter zu besuchen, ohne dabei befürchten zu müssen, von den übereifrigen Patrouillen des Marquis verhaftet zu werden.
    Die Zeit war wie im Flug vergangen, und zwischen den Geburtswehen und der Fürsorge für mein Kind hatte ich die Bedürfnisse meiner Mutter vernachlässigt. Zwar hatte ich Geld und Briefe nach Arévalo geschickt, wann immer ich konnte, doch Doña Claras Antworten waren nicht nur verspätet erfolgt, sondern hatten wegen ihres nichtssagenden, dienstbeflissenen Tons bei mir den Verdacht geweckt, dass es dort nicht zum Besten stand.
    Eigentlich hatte ich gehofft,

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