Der Schwur der Königin
Kastilien erhalten, und alle mit dem Schwur, die Tore weit für uns zu öffnen.«
»Ihr habt sie wohl eher bestochen«, schnaubte Carrillo, »mit Versprechen, die wir nicht halten können.«
»Bestochen?« Ich starrte Fernando in die glühenden Augen. »Wie denn? Wir haben doch nichts zu bieten.«
»Bis auf das Versprechen von Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand«, antwortete er. »Es ist genau so, wie wir es damals gesagt haben, weißt du noch? Das ist unser Tanto monta – es hat sich erfüllt. Die Städte wissen, was wir ihnen bieten können, weil ich Botschafter entsandt habe, damit sie es ihnen erklären. Sie können das alles nicht länger ertragen: die Hungersnot, die Fehden, die Geldentwertung und die überheblichen Granden. Unsere Zeit ist gekommen. Wir müssen sie nutzen.«
»Womit denn?« Carrillo warf theatralisch die Hände hoch. »Mit Haushofmeistern, Pagen und Pferdeknechten?« Er wieherte vor Lachen. »Aber ja, warum nicht? Lasst uns den guten Chacón losschicken, damit er Toro in Eurem Namen beansprucht!«
»Ich stelle einen Begleittrupp zur Verfügung«, ließ sich plötzlich der Admiral vernehmen, woraufhin Carrillo schlagartig verstummte. Fadrique trat auf uns zu – eine kleine, doch selbstsichere Gestalt in elegantem, dunklem Samt. »Ich habe Eurer Hoheit meine Soldaten versprochen und kann noch mehr hierherbefehlen. Wir können Toro und Tordesillas ohne Weiteres einnehmen.«
»Und was ist mit den anderen Städten, die weiter zu Enrique halten?«, fauchte Carrillo. »Werdet Ihr sie mit Eurer Handvoll Soldaten stürmen, edler Feldherr? Es fällt mir schwer zu glauben, dass selbst Ihr, das Oberhaupt des mächtigen Hauses Fadrique, so viele Männer zu den Waffen rufen könnt.«
Der Admiral neigte seinen kahlen Kopf. »Gewiss. Aber soviel ich weiß, wird uns der Marquis von Mendoza unterstützen, und auch der Herzog von Medina Sidonia in Sevilla hat seinen Beistand angeboten. Zusammen können wir mit Sicherheit eine Streitmacht von einer Größe aufstellen, bei der der König sich die Durchsetzung seiner Dekrete zweimal überlegt.«
»Der Marquis von Mendoza wird uns unterstützen?« Langsam wandte sich Carrillo zu Fernando um. »Die Mendozas haben doch immer auf der Seite des Königs gestanden? Wie habt Ihr …?«
»Ein Kinderspiel.« Fernando lächelte. »Wie jeder Grande leistet sich der hohe Herr von Mendoza ein aufwendiges Leben. Als Gegenleistung für mein Angebot der Kardinalsmütze für den Bruder des Marquis, den Bischof, zusammen mit beträchtlichen Pfründen war Mendoza mehr als bereit, unsere Bedingungen zu akzeptieren.«
»Kardinalsmütze …?« Carrillo, plötzlich kreidebleich geworden, starrte ihn fassungslos an. »Ihr … Ihr habt diesem heuchlerischem Bischof Mendoza etwas versprochen, das von Rechts wegen mir zusteht?«
» Ich habe überhaupt nichts versprochen«, entgegnete Fernando kalt. »Das war Kardinal Borgia von Valencia. Außerdem hat er gelobt, uns den Dispens zur Segnung der Ehe zwischen Ihrer Hoheit und mir zu verschaffen, den Ihr uns nicht besorgen konntet. Wie Ihr seht, hat Ihre Hoheit folglich keinen Grund, ihr Recht nicht einzufordern.«
Carrillo quollen schier die Augen aus den Höhlen. »Die Mütze gehört mir!« Von seinem im ganzen sala widerhallenden Brüllen aufgeschreckt, sprangen die vor dem Kamin schlummernden Hunde auf und knurrten. »Mir!« Er schlug sich mit der Faust auf die Brust. »Die Kardinalswürde steht mir zu! Aufgrund des Kirchenrechts muss sie mir verliehen werden. Mein Leben lang habe ich der Kirche von Kastilien gedient. Wenn jemand in all den Jahren für die Sache Ihrer Hoheit gekämpft hat, dann ich!«
Er keuchte, von seinen Lippen spritzte Speichel. Ich widerstand dem Drang, um Anstand zu bitten. Plötzlich kam es mir so vor, als hätten sich bis auf Fernando und Carrillo alle anderen im Raum in Luft aufgelöst, während sich die beiden wie Duellanten voreinander aufbauten. Wir waren bestenfalls Kulisse und nicht bedeutsamer als die Wandteppiche, Kandelaber oder die knurrenden Hunde – Zuschauer eines geistigen Wettkampfes zwischen dem Mann, der mein Leben geprägt hatte, seit er damals in Ávila an mich herangetreten war, und meinem Gemahl, dem ich mein Herz geschenkt hatte.
Fernando zeigte keine Regung, wandte den starren Blick nicht einen Wimpernschlag lang von Carrillo ab. Er ließ das dröhnende Schweigen unerträglich lange andauern, den Spalt, der sie trennte, zu einem klaffenden Abgrund anwachsen.
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