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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Schließlich drehte er sich zu mir um und brach die Stille. »Mein Großvater und ich finden, dass nichts gegen einen Brandbrief spricht. Wenn du die Taten des Königs in aller Öffentlichkeit anprangerst und hartnäckig darauf pochst, wie sehr du dadurch in deinen Rechten verletzt wurdest, dürfte das genügen, um die Städte für dich zu gewinnen. Wir brauchen keine Armee, obwohl wir eine zusammenstellen werden. Wahrscheinlich reicht es schon, wenn wir deinen Brief an allen Kirchenportalen und plazas aufhängen.« Er grinste. » Con blandura . Ist es nicht das, wozu du immer rätst?«
    Nach einem Jahr Ehe kannte er mich besser als Carrillo nach all der Zeit. Im Gegensatz zum Erzbischof, der das nie begreifen würde, hatte er verstanden, dass ich das sinnlose Chaos von Enriques Herrschaft verabscheute und dass ich es vorziehen würde, so etwas wie einen Anschein von Frieden zu wahren, obwohl wir die ganze Zeit unerbittlich meinen Weg zum Thron pflasterten. Ich wollte einfach nicht, dass die Bevölkerung noch mehr litt als ohnehin schon. Ich wollte nicht, dass sich mein Name mit Tod und Zerstörung verband.
    Ich nickte. Gleichzeitig spürte ich Carrillos durchdringenden Blick. »Ja, dieses Motto verwende ich tatsächlich gern.« Ich blickte auf den Erzbischof. In einem Anflug von Mitgefühl wollte ich ihm Trost spenden, denn auf einmal wirkte er so alt, so müde. Noch nie hatte ich die geplatzten Äderchen in seinem Gesicht bemerkt, die wässrigen Augen, die Hängebacken, das matte Silber in seinem schütteren Haar. So lange war er ein Ausbund an unermüdlicher, animalischer Kraft gewesen, dass mir nie aufgefallen war, wie ihm die Zeit allmählich zugesetzt hatte.
    »Ich werde mein Möglichstes tun, um dafür zu sorgen, dass Eure Leistungen für die Kirche und das Land anerkannt werden«, versprach ich ihm. »Seid versichert, dass Ihr auch in Zukunft zu unseren bewährtesten Beratern gehören werdet.«
    Für einen langen Moment sah er mir in die Augen. Nichts konnte ich in seiner Miene lesen; es war, als hätte sich in seinem Innern etwas verkapselt und ihn dazu veranlasst, sich mir zu entziehen. Diese plötzliche Leere in seinem Gesicht ängstigte mich. Bisher hatte er mir seine Emotionen stets offen gezeigt.
    Unvermittelt drehte er sich um und marschierte hinaus. Niemand rief ihn zurück. Ich wollte ihm schon nacheilen, als ich Fernandos Hand auf dem Ärmel spürte.
    »Nein. Lass ihn gehen«, murmelte er. »Wir brauchen ihn nicht mehr.«
    Die schweren Schritte des Erzbischofs verhallten im Flur. Winselnd legten sich die Hunde wieder auf den ausgefransten Teppich vor dem Kamin. Der Admiral hatte sich abgewandt. Er wartete, bis wir das Wort an ihn richteten. Chacón blickte mich mit ergebener Miene an, in der sich meine Erkenntnis spiegelte, dass sich soeben alles von Grund auf gewandelt hatte.
    Nach einem Leben unter seinem Einfluss war ich auf einen Schlag von Carrillo befreit.
    Ich wandte mich an Fernando. »Ich brauche eine frische Feder und Tinte«, sagte ich leise und nahm wieder meinen Platz vor dem Pult ein, wo ich einen Bogen Papier zu mir heranzog.
    Ich hatte meine Wahl getroffen.
    Von jetzt an würden Fernando und ich unseren Kurs selbst bestimmen.

20
    So wurde mein Brief in alle Landesteile verschickt. Darin hieß es: »Sollte Enrique mir aufgrund von Ungestüm oder falschem Rat meine Rechte als Erbin vorenthalten, wäre das eine schwere Beleidigung und Schande für das Reich. Gott wird den König für dieses große Übel zur Rechenschaft ziehen, mein Herr, der Prinz, und ich aber werden frei von Schuld sein.«
    Das war eine freche Proklamation. Noch nie war ich der Unterstellung so nahe gekommen, dass Enrique das Königreich gefährde. Und tatsächlich erzeugte sie exakt die Reaktion, die Fernando vorausgesagt hatte. Städte und Marktflecken, die bis dahin Enrique unterstützt oder Neutralität gewahrt hatten, hängten meinen Brief zusammen mit ihren eigenen öffentlichen Verlautbarungen aus und schlossen sich unserer Sache an, indem sie an ihren Mauern Banner mit unseren eng verschlungenen Initialen und dem Sinnspruch »Kastilien für Isabella!« anbrachten. Als ich Fernando vorwarf, dass ich nicht den Eindruck hatte erwecken wollen, ich strebe danach, Enriques Rechte an mich zu reißen, lachte er nur.
    »Welche Rechte? Ávila, Medina del Campo und sechs weitere Städte sind bereits für uns, und heute Abend reite ich nach Sepulveda, um auf Bitten der Stadt Villenas Helfer zu verjagen. Wenn es so

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