Der Schwur der Königin
Tisch setzten, eilte Chacón herein und erklärte, dass jemand vor dem Tor stand und Einlass begehrte.
»Zu dieser Stunde?«, rief Doña Clara entgeistert, deren Leben längst in solcher Isolation verlief, dass sie jeden Fremden als potenzielle Bedrohung ansah. Prompt tauschten die betagten Hofdamen besorgte Blicke; es war noch nicht allzu lange her, dass Villenas streitlustige Offiziere hereingeplatzt waren, um sie zu bedrängen und einzuschüchtern.
Ich wies Chacón an, unseren Gast hereinzubitten. Wir hatten frisches Hasenragout und einen Salat aus getrockneten Äpfeln und Möhren in Mandelmilch. Was für sechs Personen reichte, konnten genauso gut auch acht essen. Doch als die kleine, von einem Umhang verhüllte Gestalt eintrat und ihre Kapuze zurückschlug, konnte ich einen Aufschrei nicht unterdrücken. Zur Überraschung aller anderen am Tisch stürzte ich ihr entgegen.
»Wie kann das sein?«, wisperte ich und drückte meine engste Freundin fest an mich. »Du hier?«
»In Carrillos Auftrag natürlich.« Lächelnd löste sich Beatriz von mir. »Er hat mich gebeten, Euch das hier zu geben.« Damit drückte sie mir ein prall mit Münzen gefülltes Lederbeutelchen in die Hand. »Und ich soll Euch folgende Kunde überbringen: Villena hat einen Magentumor und liegt im Sterben; außerdem ist die portugiesische Allianz mit der Beltraneja zerbrochen. Der König hat seine Ehe mit der Königin annulliert und sie in ein Kloster gesteckt. Er hat die Konflikte satt. Er wünscht, Euch persönlich in Segovia zu empfangen.«
Im kupferfarbenen Dunst des Herbstes verließ ich Arévalo. Ich hatte auf Enriques Angebot eines Waffenstillstands hin nicht gleich loseilen und so meine Ungeduld verraten wollen. Stattdessen verfasste ich eine vorsichtige Antwort, mit der ich ihn wissen ließ, dass ich die Pflege meiner Mutter beaufsichtigte und ihn als Zeichen seines guten Willens um die Entsendung der lange einbehaltenen Gelder bat. Dann wartete ich. Das Geld traf bald ein – ein Hinweis, dass Villena tatsächlich auf seinem Sterbebett liegen musste. Doch gleichzeitig riet mir Fernando in einem Brief, dass ich mich von Segovia fernhalten sollte, solange nicht der Marquis seinem Leiden tatsächlich erlegen war – nicht dass das Ganze sich am Ende als raffinierte List herausstellte, um mich in eine Falle zu locken. Seine Warnung leuchtete mir ein, und ich wartete weiter. Allerdings holte ich nun auch meine Isabél nach Arévalo, wo ich mit dem neuen Geld die Sanierung der Burg vorantrieb.
Beatriz stand mir zur Seite und ergötzte mich mit Erzählungen darüber, wie sich Carrillo schmollend in seinem Palast in Alcalá eingeigelt hatte, bis er eines Tages überraschend bei Enrique aufgetaucht war und darum gebeten hatte, wieder in die königliche Gunst aufgenommen zu werden.
»Er hatte gehört, dass Villena krank war und Enrique seitdem wie eine verlorene Seele zwischen Segovia und Madrid über das Land zog, weil er einfach nicht dazu in der Lage war, sich mit dem bevorstehenden Tod seines Lieblings abzufinden.« Beatriz runzelte die Stirn. Sie hatte ihre Gefühle noch nie verhohlen und hatte auch jetzt nicht vor, angesichts Villenas Ende Betroffenheit zu heucheln. »Enrique war bereit, ihn zu empfangen, und gemeinsam haben sie dann diese Versöhnung mit Euch ausgebrütet.«
Ich musterte sie über den Stoff hinweg, den wir für einen neuen Vorhang um das Bett meiner Mutter vermaßen. »Und du und Cabrera hattet nichts damit zu tun, wie ich annehme?«
» Das habe ich nicht gesagt. Eigentlich hatten wir sogar sehr viel damit zu tun. Mein Mann war derjenige, der Carrillos Brief dem König überbrachte, aber dann lag er monatelang ungeöffnet auf einem Stoß unerledigter Korrespondenz, der fast so hoch war wie der Alkazar selbst. Als er dann schließlich Enrique dazu überredet hatte, den Erzbischof zu empfangen, habe ich den Rest übernommen.« Sie machte eine Kunstpause. »Ich habe Enrique gesagt, dass er, sollte er sich mit Euch versöhnen, Kastilien wieder Frieden bringen wird – ›wie ein Baum, am Wasser gepflanzt und am Bach gewurzelt. Denn obgleich eine Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün.‹«
»Das hast du gesagt?« Mit Mühe verbarg ich ein Lächeln. »Ich hatte dich nie für eine Dichterin gehalten.«
»Für meine Herrin tue ich doch alles«, erwiderte sie, ohne die Miene zu verziehen. Dann blickten wir uns in die Augen und brachen in schallendes Gelächter aus, mit dem wir
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