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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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darunter Burgos im Norden, das als königliches Erbteil für unsere Verteidigung von höchster strategischer Bedeutung war. Ich musste jede unentschiedene Stadt persönlich besuchen und ihre Gefolgschaftstreue gewinnen – falls nötig auf Knien. An jede Stadt von nennenswerter Größe musste ich meinen Appell richten, denn wir brauchten Soldaten, und zwar viele.
    Fernando sandte eine dringende Nachricht, dass die Portugiesen mit einem bis an die Zähne bewaffneten Heer die Grenze zu unserem Reich überschritten hatten. Die Stadt Plasencia in der Extremadura hatte ihre Tore den Eindringlingen geöffnet. Und dort waren in der erhabenen Kathedrale über dem Fluss Jerte Alfonso V. und die Beltraneja, flankiert vom verräterischen Villena und den mit ihm verschworenen Granden, verlobt worden. Zum Glück konnten sie erst dann heiraten, wenn ihnen ein päpstlicher Dispens bescheinigte, dass sie keine Blutsverwandten waren.
    Da ich aus eigener Erfahrung um die Unzuverlässigkeit dieser Zeugnisse wusste, richtete ich einen leidenschaftlichen Appell an den Vatikan. Darin betonte ich Joannas Illegitimität, deren Feststellung jeden theoretischen Anspruch auf den Thron, den sie vielleicht noch haben mochte, zunichtemachen würde, und bat Seine Heiligkeit, ihrer Verbindung mit Portugal den päpstlichen Segen zu verweigern. Dem Ganzen fügte ich eine persönliche Mitteilung an Kardinal Borgia bei, der mir geholfen hatte, die Probleme bei meiner eigenen Hochzeit zu entwirren. Mit diesem Schreiben versprach ich ihm eine reiche Belohnung und unsere ewige Dankbarkeit, wenn er das Seine dazu beitrug, den Papst von unserer Sache zu überzeugen.
    Indem wir Cárdenas als Briefboten benutzten, entschieden mein Gemahl und ich, dass Fernando bereits die Offensive beginnen sollte, während ich weiter über das Land zog und um Geld und Rekruten warb. Ich wollte noch nach Burgos und dann nach Ávila reiten, um von dort zu Fernando in der Festung Tordesillas zu stoßen, welche sehr wehrhaft und darum leicht zu verteidigen war.
    Ich verließ Burgos während eines heftigen Wolkenbruchs. Nach fast einmonatigen Verhandlungen mit sturen Beamten, von denen viele fürchteten, Fernando und ich würden ihre uralten feudalen Rechte an uns reißen, hatte ich mir endlich die Loyalität der Stadt gesichert. Ich war ungehalten, unausgeschlafen und konnte es kaum erwarten, meinen Mann wiederzusehen. Und zu allem Überfluss hatte der Himmel nach jahrelanger Dürre beschlossen, wie eine überreife Frucht aufzuplatzen und alles gehortete Wasser auf einmal über das ausgetrocknete Land zu schütten, wo es die Flüsse überlaufen ließ und die Straßen in Schlammseen verwandelte.
    Zu viel Regen war fast genauso verheerend wie gar keiner; die magere Ernte würde verschimmeln, und die zarten Wurzeln würden in der vollgesogenen Erde eingehen und verrotten. Das bedeutete ein weiteres Jahr der Hungersnot und Aufstände in den Städten. Die unmittelbare Folge für mich war, dass es bei dieser Sintflut noch Wochen dauern würde, bis ich mein Ziel erreichte. Wenn ich nach vorn in den mir jede Sicht raubenden Sturzbach schaute, der mir die Haube an den Kopf klebte und sämtliche Kleider bis zu den Schenkeln durchnässte, stieg in mir Empörung auf, so wild wie das Wetter.
    Wie konnte Gott mir das antun? Wie konnte Er sich von mir abwenden? Wann würde Er begreifen, dass ich bereit war, mein Leben vor Ihm auszubreiten, um Seiner Sache zu dienen, die doch bestimmt im zukünftigen Ruhm Kastiliens begründet war? Hatte ich denn nicht genug gelitten? Hatte dieses geschundene Land nicht genug Blut, Schweiß und Tränen vergossen? Hatten wir nicht schon genug Schmerz erduldet durch die Opferung unserer Söhne, unserer Frauen, unserer Lebensgrundlage, ja, unseres Friedens?
    Was konnte Er denn noch von mir verlangen?
    Dass ich richtiggehend schrie, merkte ich erst, als mir das Echo meiner Stimme, gefolgt von mehreren wütenden Donnerschlägen, in den Ohren dröhnte. Mit einem nervösen Wiehern scheute Canela. Ich wandte den Blick zu meinen Begleitern, die mich allesamt anstarrten, als wäre ich verrückt geworden.
    »Majestad« , sagte Chacón, »Ihr seid übermüdet. Vielleicht sollten wir umkehren.«
    »Umkehren? Auf keinen Fall! Wir reiten weiter und halten erst an, wenn …«
    Ein schrecklicher Krampf im Bauch schnitt mir die Luft ab. Ich krümmte mich im Sattel zusammen, ließ die Zügel fahren und umklammerte meinen Unterleib. Dort wühlte es, als zerfetzten mich von innen

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