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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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ich über die Zugbrücke und die steil abfallende, gewundene Straße hinunterritt, das Dorf passierte, den Damm über den Fluss überquerte und die flimmernde Ebene erreichte. Dort ließ ich einen Baldachin aufspannen und mir einen Klapptisch sowie einen Stuhl bringen. Da Canela keuchte, hielt ich es für angebracht zu warten. Ein Kelch mit Wasser blieb unangerührt auf dem Tisch stehen. Die Stunden verstrichen. Als die lilafarbene Abenddämmerung über die Ebene kroch und uns in Zwielicht hüllte, sah ich am roten Horizont endlich eine Gruppe Männer auftauchen.
    Sofort bestieg ich Canela. Als die anderen sich mir anschließen wollten, hielt ich sie mit erhobener Hand zurück. Allein ritt ich unserer zurückkehrenden Armee entgegen. Fernando ritt mit dem Admiral an ihrer Spitze. Ihre Gesichter waren von Erschöpfung gezeichnet, an der Nase schälte sich ihre von der Sonne verbrannte Haut, ihre Haare waren verfilzt und schmutzig. Die Einzelteile ihrer Rüstungen klapperten in Gepäcktaschen, die an den Flanken ihrer von Schaum bedeckten Pferde herabhingen.
    Es waren die Geräusche dieser abgelegten, vom Blut unserer Feinde unbefleckten Panzer, die mich fast zur Raserei trieben.
    Fernando sah verdutzt auf, als er merkte, wer da auf ihn zuritt. Dann gab er seinem Tier die Sporen, als versuchte er, die uns beobachtenden Granden und die murrenden Soldaten so weit wie möglich hinter uns zu lassen, deren Verzagtheit schon unser Schicksal besiegelt hatte, bevor wir einem Portugiesen überhaupt ein Haar hatten krümmen können.
    »Isabella«, begann er stockend, »ich … wir hatten keine Wahl. Sie haben sich einfach nicht aus der Stadt gerührt; die ganze Zeit haben sie sich hinter den Wällen von Zamora verschanzt und uns mit Pfeilen, Steinen und ihrem eigenen Dreck bombardiert.« Seine Stimme zitterte vor Demütigung. »Alfonso hat mich, hinter den Zinnen verborgen, ausgelacht – mich verlacht und verhöhnt! Er hat gesagt, er würde selbst auf seinem Abtritt noch einen besseren König abgeben, als ich das auf Kastiliens Thron je für mich erhoffen könnte. Mein Angebot eines Zweikampfes hat er zurückgewiesen. Er rief, er würde lieber warten und zusehen, wie wir langsam verrecken wie die Fliegen, wenn sie an seiner Scheiße ersticken.«
    Lange sah ich ihm fest in die Augen. Ich versuchte, in dem Gewölbe, wo mein Herz saß, Mitleid aufzubringen, Anteilnahme, irgendein Gefühl. Doch als sich nichts regte, sagte ich kalt: »Du hättest nicht umkehren dürfen, nicht, solange er auch nur einen Turm in Kastilien besetzt hält.«
    Seine Augen verengten sich. »Was hätte ich denn tun sollen? Wir haben keine Belagerungsmaschinen, keine Kanonen, kein Schießpulver. Das wusstest du doch! Wir waren von Anfang an kläglich unvorbereitet.«
    »Nichts von all dem zählt.« Ich pochte mir mit der Faust auf die Brust. »Wir haben Gott auf unserer Seite; wir sind im Recht, nicht diejenigen, die gekommen sind, um etwas zu stehlen, was ihnen nicht gehört. Wie konnten dir trotz unseres Glaubens und einer Armee wie der unseren im Rücken die Worte Alfonsos von Portugal den Mut rauben, der Männer in der Schlacht beflügelt?«
    Er zuckte sichtbar zusammen. Seine Stimme wurde härter. »Isabella, ich warne dich: Hör auf! Du warst nicht dabei. Du verstehst das nicht.«
    Aber ich wollte mir nichts mehr von ihm sagen lassen. Mir war, als hätten sich jede Beleidigung, jede Furcht, jede Flucht, die mir seit meinen gefahrvollen Kindheitstagen zugemutet worden waren, miteinander zu dieser maßlosen, zu dieser fürchterlichen Demütigung vereint – zu diesem unfassbaren Moment, in dem mein Gemahl, einer der tapfersten aragonischen Krieger, ausgerechnet vor jenem Feind floh, der danach trachtete, uns unseren Thron zu entreißen.
    »Du kannst von mir aus sagen, dass ich das nicht verstehe«, entgegnete ich. »So viele Männner glauben ja, dass Frauen beim Thema Krieg nicht mitreden könnten, weil wir unser Leben nicht auf dem Schlachtfeld riskieren. Aber eines versichere ich dir: Niemand hat mehr riskiert als ich, denn ich habe alles auf meinen Gemahl und König gesetzt, den ich mehr liebe als alles andere auf der Welt.« Ich hörte, wie meine Stimme brach. »Ich habe mein Herz für das Wohl unserer beiden Reiche riskiert, und das in dem Wissen, dass wir im Fall unseres Scheiterns alles verlieren würden.«
    Meine Worte hallten in der Stille der Ebene wider. Regungslos stand unsere Armee da – Tausende von Männern, von denen ich keinen

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