Der Schwur der Königin
mächtige Krallen. Ich musste geschwankt haben und langsam zur Seite gekippt sein, denn in einem fernen, aber immer noch nicht von den Schmerzen betäubten Bereich meiner fünf Sinne hörte ich Chacón mit einem Schrei von seinem Pferd springen, sah ihn auf Canela zustürzen und die Zügel packen. Auch Inés drängte hastig heran und fing mich auf, bevor ich von meinem Pferd rutschte. Es gelang mir, noch genügend Willenskraft zusammenzuraffen, um mich wieder aufzurichten, auch wenn ich mich nur mühsam am Sattelhorn festhalten konnte, so grausam war dieser Anfall.
Dann spürte ich es – etwas Klebriges, Warmes, das aus mir heraussickerte. Ich schaute nach unten und verfolgte benebelt, wie sich in meinem Schoß purpurrote Blütenblätter entfalteten. Als mich der Schmerz überwältigte, dachte ich fassungslos, dass ich gar nichts davon gewusst hatte. Ich hatte noch nicht einmal den Verdacht gehabt, dass ich guter Hoffnung sein könnte …
»Die Königin blutet!«, schrie Inés. »Schnell! Sie ist verletzt!«
Brüllende Dunkelheit verschluckte mich. Gott hatte mir meine Frage beantwortet.
»Eure Majestät müssen ruhen«, mahnte Doktor Díaz, unser Arzt am Hof. Er war im Galopp zur Stadt Cebreros geritten, wo wir wenige Meilen vor Ávila rasteten. »Es wird ungefähr eine Woche dauern, bis Ihr wieder bei Kräften seid.«
»Das … kann ich nicht«, protestierte ich. »Fernando … er braucht mich. In Tordesillas.«
»Seine Majestät ist schon in Kenntnis gesetzt worden. Es kann nicht sein Wunsch sein, dass Ihr Euch noch mehr Risiken aussetzt.« Díaz wandte sich ab, als wäre die Sache damit erledigt. Die nächsten Worte richtete er an Inés. »Ich lasse Euch diesen Kräutertrunk hier. Sie muss die empfohlene Dosis zu den Zeiten einnehmen, die ich Euch genannt habe. Wenn die Blutungen zurückkehren, wendet die Druckbehandlung an, wie ich sie Euch gezeigt habe. Ich muss sofort nach Ávila reiten, um mehr Medikamente zu kaufen, aber spätestens morgen Abend bin ich zurück.«
»Wir werden nicht da sein«, erklärte ich ihm.
Inés erhob sich von ihrem Hocker. Sie hatte die ganze Nacht bei mir Wache gehalten, als ich mich im Fieberdelirium im Bett hin und her geworfen hatte. Sie war abgespannt, doch ohne die Augen von mir zu wenden, antwortete sie dem Arzt mit fester Stimme: »Wir werden da sein. Gracias , Doktor. Geht mit Gott.«
Er nickte, dann setzte er seine Kappe auf und blickte mich noch einmal mit seinen wissenden, freundlichen braunen Augen an. Díaz war ein gelehrter Mann; ein converso wie so viele von unseren besten Ärzten, ausgebildet in den jüdischen und maurischen Heilmethoden. Er hatte auch schon meine Tochter bei gelegentlichen Erkältungen und anderen Wehwehchen behandelt. Außerdem hatte er mir soeben das Leben gerettet, auch wenn er dabei Verfahren angewendet hatte, die die christliche Kirche verbot, da dort die Lehrmeinung vorherrschte, jede Erkrankung des Fleisches rühre von den Sünden der Seele her und könne nur durch Gebet und Reue geheilt werden.
»Ihr müsst ruhen«, wiederholte er und ging.
Inés zog ihren Hocker näher, wrang den mit Kamillensud getränkten Lappen über einer Schüssel zu ihren Füßen aus und legte ihn mir auf die Stirn. Ich schloss die Augen. Der Safrangeruch weckte Erinnerungen an meine Kindheit, an die trockenen Sommer in Arévalo, wo diese widerstandsfähige Pflanze wild wucherte – wie Unkraut.
Endlich raffte ich meinen ganzen Mut zusammen. »War es …«
Inés seufzte. »Es war zu früh. Sie konnten nichts Genaues sagen.«
24
Ruhelos durchmaß ich meine Gemächer in Tordesillas, hoch oben in einem Türmchen mit Blick auf die sich tief darunter vorbeiwälzenden, trüben Fluten des Flusses Duero und die staubige, ockerfarbene Meseta , die sich, so weit mein Auge reichte, in die Ferne erstreckte. Irgendwo auf dieser Hochebene stand Fernando vor der Stadt Zamora Alfonso V. und dessen Armee gegenüber.
Wir hatten eine denkbar kurze Wiedervereinigung gefeiert, nachdem ich Doktor Díaz’ Rat in den Wind geschlagen hatte und zwei Tage nach meiner Fehlgeburt nach Cebreros aufgebrochen war. Inés war bekümmert um mich herumgeflattert, Chacón hatte väterlich Protest erhoben, Díaz vor schlimmen Folgen gewarnt. Nichts davon hatte mich beeindruckt. Ich wollte nichts als diesem schrecklichen Zimmer entkommen, wo von allen Seiten das Echo eines totgeborenen Versprechens widerhallte. Ich musste reiten, musste in gestrecktem Galopp über mein Land jagen und
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