Der Schwur der Königin
paar kurze Stunden dachte ich nichts mehr.
In der windgepeitschten Ebene vor der Stadt Alcalá de Henares saß ich auf meinem Canela. Ohne Pause war ich hierhergeritten, obwohl Fernando nicht einverstanden gewesen war und der Admiral die Sorge geäußert hatte, Fernando und ich könnten durch getrenntes Auftreten unsere Stellung schwächen. Aber wir hatten keine Wahl. Jemand von hoher Autorität war vonnöten, der die Städte höchstpersönlich auf uns einschwor. Und wer konnte das besser als ich, ihre Königin? Währenddessen würde Fernando – jetzt, nach der Verleihung durch mich, Inhaber der gleichen königlichen Vollmachten – Portugal den Krieg erklären und damit beginnen, die für den Feldzug nötigen Waffen und Rüstungsgüter einzutreiben, denn wir selbst besaßen nichts davon in ausreichenden Mengen oder gebrauchsfähigem Zustand.
Isabél ließen wir in Beatriz’ und Cabreras Obhut zurück, mit strenger Anweisung, dass sie den Alkazar nicht verlassen durfte.
Ich war vor Carrillos Stadt angelangt. Wenn ich eine direkte Konfrontation erzwingen konnte, würde er vielleicht nachgeben. Aber als Cárdenas, den ich zu Carrillos Palast entsandt hatte, wieder durch das Stadttor geritten kam und sich mir näherte, war ich mir meiner Sache plötzlich nicht mehr so sicher. Ein Windstoß fegte ihm die Kappe vom Kopf und zerwühlte sein dichtes blondes Haar. Er ließ sich davon nicht beirren, sondern galoppierte direkt auf mich zu, als wäre ihm eine Meute Jagdhunde auf den Fersen.
Ich packte die Zügel fester, woraufhin Canela auf dem felsigen Gelände mit den Hufen scharrte.
»Und?«, fragte ich, sobald Cárdenas vor mir anhielt. Ich spürte die Augen meiner Gefährten auf mir – Don Chacón, Inés, meine Sekretäre und die wenigen Diener, die ich mitgenommen hatte –, eine Schar von ausreichender Größe, um meine Aura von Königlichkeit zu betonen, aber nicht so groß, dass sie das Vorankommen verlangsamte.
Zögernd antwortete Cárdenas: »Er sagt, wenn Ihr durch ein Tor eindringt, wird er durch das andere hinausreiten.«
Ich saß regungslos im Sattel. »Er widersetzt sich mir?«
Cárdenas nickte. Es bereitete ihm sichtlich Unbehagen, dass er der Überbringer dieser Nachricht sein musste. »Er hat gesagt, dass er Eure Majestät, so wie er Euch in Euer gegenwärtiges Amt gehoben hat, auch wieder hinunterstoßen wird.«
Wütend knurrte Chacón an meiner Seite: »Diese Memme verdient den Strick! Er wird das Seine schon noch bekommen, so wahr mir Gott helfe. Ich werde ihn persönlich zum Galgen schleifen.«
»Nein.« Mit erhobener Hand gebot ich ihm Einhalt und wahrte dabei einen Anschein von Gelassenheit, die ich nicht empfand.
»Majestad« , verteidigte sich Chacón, »wenn wir ihn jetzt nicht in seine Schranken weisen, gibt er nie Ruhe. Er ist doch der Grund aller Ärgernisse. Dass er in Haft genommen wurde, wird ein Signal der Warnung an alle anderen sein.«
Ich spähte an den Männern vorbei zur Stadt, zu den Festungsmauern der alten Burg, und stellte mir die Storchennester zwischen den von Kanonenkugeln vernarbten Zinnen vor.
»Dafür ist es zu spät«, widersprach ich. »Selbst wenn ich anordne, ihn in Haft zu nehmen, ist der Schaden schon angerichtet. Villena und die Beltraneja sind auf freiem Fuß; die Portugiesen rücken gegen mein Reich vor. Ich werde keine Zeit mit der Jagd auf einen Einzelnen verschwenden, wenn ich sie besser dafür nutzen kann, die vielen hinter mir zu versammeln, die wir für den Kampf brauchen.«
Chacón runzelte die Stirn. »Wenn das so ist, wohin ziehen wir als Nächstes?«
Ich wendete Canela entschlossen in den Wind. »Nach Toledo, dem Sitz von Carrillos Diözese. Wenn wir diese Stadt gewinnen, schneiden wir ihn von seinen Einkünften ab. Das wird eine Warnung sein, die nicht einmal er ignorieren kann.« Und flüsternd fügte ich hinzu: »Gott, der Allmächtige, hat mich zur Königin gemacht. Jetzt möge Er mich mit Seiner Gnade verteidigen.«
Toledo empfing mich mit überwältigender Begeisterung und bot mir nicht nur ein großes Kontingent an Soldaten an, sondern auch einen beträchtlichen Geldbetrag für die Anschaffung von Waffen. Ich war erleichtert. Als Kastiliens ältester Bischofssitz und Carrillos Haupteinnahmequelle stellte Toledos freiwillige Unterwerfung einen Sieg sowohl in strategischer als auch symbolischer Hinsicht dar.
Freilich hatte mein Kampf gerade erst begonnen. Eine ganze Reihe wichtiger Städte musste erst noch überzeugt werden,
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