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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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dem zustimmen? Meines Wissens hat noch nie ein Monarch solche Vollmachten erhalten.«
    »Vielleicht hat auch noch nie ein Monarch darum gebeten.«
    Ich wandte mich ab. Der Wind frischte auf und peitschte die schaumgekrönten Wellen vor sich her. Der Brief in meinem Beutelchen wog schwer wie ein Stein. War es das, was Gott mit uns vorhatte? Hatte er Fernando und mich zu seinen Feuergefäßen bestimmt, damit wir unseren Glauben reinigten? Ich hatte keine Antwort darauf; meine Überzeugung, die sonst immer so unerschütterlich war, hatte mich verlassen.
    »Wenn ich das bewillige«, sagte ich schließlich, ohne den Blick von dem stürmischen Meer abzuwenden, »müssen wir vorsichtig und mit der gebotenen Sorgfalt zu Werke gehen. Kardinal Mendoza muss gewährleisten, dass man keine Mühen scheut, um diejenigen, die geirrt haben, mit friedlichen Mitteln in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Härtere Maßnahmen werde ich nicht dulden, es sei denn, wir haben keine andere Wahl. Und ich will nicht, dass den Juden Leid zugefügt wird. Ermittelt werden darf nur gegen diejenigen, deren Zugehörigkeit zu unserem Glauben in Zweifel geraten ist.«
    Ich wandte mich zu Fernando um. Er stellte sich meinem prüfenden Blick. Seine Miene war ernst. »Alles soll so geschehen, wie du es befiehlst«, versprach er. »Ich werde persönlich dafür Sorge tragen.«
    »Dann tu es«, erwiderte ich sanft. »Schreib Mendoza, dass wir seinem Ersuchen zustimmen. Aber nur, um das Edikt zu erlangen. Ich behalte mir das Recht vor, es zu geeigneter Zeit selbst durchzusetzen.«
    Er nickte und griff nach meiner Hand. » Dios mío , du bist ja eiskalt!« Er maß Inés, die bei meinen anderen Hofdamen saß, mit einem scharfen Blick. »Ihrer Majestät ist kalt! Sofort einen Umhang!«
    Begleitet vom Geplapper meiner Hofdamen, kletterten wir binnen Minuten wieder zu dem Klippenweg hinauf, der zurück zu Medina Sidonias Burg führte. Die Wangen meiner Isabél färbten sich in der Sonne rot. Sie schien überglücklich zu sein. Ein Nachmittag, an dem man alle Schicklichkeit und Etikette vergessen und fröhlich sein konnte, war einfach etwas Herrliches.
    »Ist es nicht schön, Mama?«, strahlte sie und schob ihre Hand in die meine, als wir oben ankamen und über das Meer schauten, das sich bis zum Horizont wie endlose Seide ausbreitete. »Aber so groß! Beatriz sagt, dass man ewig darübersegeln kann und trotzdem nie an sein Ende kommt. Es muss sich einsam fühlen.«
    »Ja«, stimmte ich ihr wehmütig zu, »das muss es wohl.«

26
    Alle Hebammen – und meiner Meinung nach waren es viel zu viele – versicherten uns, dass ich einen Sohn gebären würde. Sämtliche Anzeichen sprächen dafür, verkündeten sie, während sie meine Wehwehchen bis ins kleinste Detail ausforschten, sogar den Geruch meines Urins. Natürlich hatten wir das alles schon einmal gehört; als ich mit Isabél guter Hoffnung gewesen war, hatte man mir dasselbe gesagt. Aber im Laufe der Tage hier im Alkazar, meiner komfortablen Zuflucht für die bevorstehende Mühsal meiner Niederkunft, bemerkte ich, wie stark die Schmeicheleien der alten Wichtigtuerinnen auf Fernando wirkten. Je gereizter ich auf ihr ewiges Aufhebens um mich reagierte, desto besorgter wurde er.
    Aus Verachtung für den Hang unserer Gesellschaft, jede Frau, die ein Kind erwartete, in ein nutzloses Wesen zu verwandeln, und fest entschlossen, in dieser Zeit zu etwas Vernünftigem zu dienen, machte ich mich daran, einen Lateinlehrer zu suchen. Ich bedauerte, dass ich in dieser Alltagssprache der internationalen Diplomatie keine Kenntnisse hatte. Es war mir zuwider, dass ich mich auf Dolmetscher verlassen musste und mir deswegen wie eine Provinzkönigin ohne formelle Ausbildung vorkam. Aber dann wurde ich durch das Eintreffen eines Gesandten aus England abgelenkt, der mir ein weiteres Taufbecken als Geschenk mitbrachte – mittlerweile hatten wir Dutzende – und bei der Übergabe nebenbei erwähnte, dass sein König die erste Druckerpresse des Landes genehmigt hatte.
    »Wirklich?« Ich beugte mich auf meinem Thron weit vor und vergaß völlig meine geschwollenen Füße in den viel zu engen Schuhen. »Ich habe davon gehört, dass in Italien etwas ganz Erstaunliches vor sich geht, eine Art Wiedergeburt, bei der verloren geglaubte oder in Vergessenheit geratene Literatur aus der Antike mit diesen Pressen wieder verfügbar gemacht wird.«
    Der Gesandte lächelte. »Allerdings, Eure Majestät. Malerei, Musik, Dichtkunst und

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