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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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nach unserem Tod sowohl Kastilien als auch Aragón erben würde. Ich hatte mir die Bewunderung unserer halsstarrigsten Untertanen verdient, und binnen wenigen Tagen nach Juans Geburt flohen die letzten in Sevilla verbliebenen Verbrecher in die von den Mauren gehaltene Hafenstadt Málaga, um dort Asyl zu suchen. Als im ganzen Reich die Glocken läuteten, verbargen Priester schleunigst ihre Konkubinen und Bastarde und beteten fieberhaft, die Bibel an die Brust gepresst, denn ihnen war nur zu klar, dass ich dank der Ankunft eines männlichen Erben bald die Hände dafür frei haben würde, mich voll und ganz der Reform unserer Kirche zu widmen.
    Am Festtag der heiligen Martha, sechs Wochen nach der Geburt, traten Fernando und ich Seite an Seite vor die Öffentlichkeit, um unseren Sohn Sevilla offiziell zu präsentieren. Unter einer Sonne, so heiß, dass sie den Himmel ausbleichte, ritten wir durch die überfüllten Straßen, die man mit Seilen gesichert hatte, um uns ein Fortkommen zu ermöglichen. Unter meinem mit Perlen überzogenen brial und der Krone sammelte sich der Schweiß. Mein wackerer Canela, der gleichfalls aufs Edelste herausgeputzt war, tänzelte nervös und schlug mit den Hufen Funken auf den glühend heißen Pflastersteinen.
    Vom Beifallssturm der Menge aufgeschreckt, flatterten Tauben von den Ziegeldächern auf. Juan fuhr uns in einer mit einem Baldachin überdachten Kutsche voraus. Seine Taufpatin, die Herzogin von Sidonia, Medina, wiegte ihn in ihren Armen. Eskortiert wurde der Infant vom Marquis von Cádiz, der sich in der Begeisterung der Menge mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes sonnte, der sich seines blendenden Aussehens bewusst ist; Medina ritt mit unserer Standarte direkt vor uns, eine besonderes Privileg, das unsere hohe Wertschätzung bekundete.
    Doch plötzlich stockten die Jubelrufe, um schnell ganz zu verstummen. Die Leute schauten nach oben, als etwas die Sonne zu verhüllen begann, den Tag verdunkelte und unsere Schatten länger wurden. Neben mir zügelte Fernando sein Pferd. Er spähte in den Himmel, sodass seine mit Rubinen besetzte Krone verrutschte.
    Er erstarrte. »Dios mío« flüsterte er. »El sol se apaga.«
    »Was? Die Sonne kann doch nicht erlöschen!«, rief ich und reckte den Hals, um seinem ängstlichen Blick zu folgen, obwohl ich wegen des Gewichts von Kopfschmuck und Krone sofort Schmerzen im Genick bekam.
    Am weiß glühenden Himmel schnitt, einer schwarzen Sichel gleich, ein Schatten durch den Rand der Sonne.
    Um uns herum war ein entsetztes Aufkeuchen zu hören. Viele warfen sich auf die Knie. Ich dagegen bewahrte Ruhe. Als ich in meiner Zeit als Prinzessin in Segovia die Bibliothek durchstöbert hatte, waren mir mehrere Schriften mit Beschreibungen dieses Phänomens in die Hände gefallen – einer sogenannten Sonnenfinsternis. Das erklärte ich sogleich Fernando, der vollkommen erstarrt auf seinem Pferd saß.
    »Sonnenfinsternis?«, plapperte er benommen nach, als wäre dieses Wort ein Buch mit sieben Siegeln für ihn.
    »Ja. Manchmal schiebt sich der Mond vor die Sonne und verfinstert sie. Aber dann zieht er vorbei, und alles ist wieder normal.« Mein Ton war ziemlich gereizt. Es herrschte glühende Hitze. Ich war schweißgebadet und wollte längst auf dem Podest auf dem großen plaza sein, unsere Pflichten hinter uns bringen und in den Schutz des Alkazar zurückkehren, bevor wir in unserem Kopfschmuck verdampften. Außerdem sorgte ich mich um meinen Sohn, der in dieser Höllenhitze sicher einen Hautausschlag bekommen würde.
    »Aber … aber, es ist … ein Omen«, stammelte Fernando. »Ausgerechnet an dem Tag, an dem unser Sohn dem Volk gezeigt werden soll, passiert dieses … diese Sonnenfinsternis. Das kann kein gutes Zeichen sein!«
    Ich widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. Obwohl es weit verstreute Territorien in anderen Ländern besaß, war Aragón wie auch Andalusien immer noch ein von Aberglauben geprägtes Land.
    »Das ist kein Omen«, sagte ich schärfer als beabsichtigt. »Unser Sohn ist ja schon getauft, von Gott gesegnet. Das hier liegt nur daran, dass der Mond für einen Moment seinen ihm zustehenden Ort vergessen hat.« Ich brachte ein Lächeln zuwege und senkte die Stimme. »Du als Erster von allen Männern solltest eigentlich darüber Bescheid wissen.«
    Er versuchte, mein Lächeln zu erwidern, aber ich konnte sehen, dass er verängstigt war, als hielte er dieses unbedeutende Ereignis tatsächlich für einen Vorboten der

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