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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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verfrüht«, fauchte ich. »Das Heilige Tribunal gibt es schon seit so vielen Jahren in Kastilien, und doch hat es nichts bewirkt. Es bedarf der Reform nicht minder dringend als die Kirche selbst. Und wir müssen schon jetzt vieles vorbereiten. Wir müssen die Cortes einberufen, damit sie das Gesetzbuch gründlich überarbeiten und die Privilegien des Adels beschneiden. Und ich will erst gar nicht erwähnen, dass von uns – wie von all unseren Vorgängern – die Wiederaufname der reconquista gegen die Mauren erwartet wird. Darum ist jetzt wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um uns noch eine weitere Bürde aufzuladen, schon gar nicht eine von diesem Ausmaß.«
    Fernando richtete den Blick auf die herankrachenden und verebbenden Wellen; dabei wirkte sein markantes Profil im Dämmerlicht weicher. Schließlich sagte er nachdenklich: »Kein Zweifel, du hast vollkommen recht. Aber es wäre trotzdem ein Fehler, die Bitte des Kardinals zu ignorieren. Seit wir unser Amt angetreten haben, beobachtet uns die ganze Welt mit Argusaugen und wartet nur darauf, dass wir scheitern wie alle anderen vor uns. Ich möchte nicht, dass unsere Kirchenmänner sich in Rom darüber beschweren, wir seien nicht fromm genug. Wenn nämlich tatsächlich von uns erwartet wird, dass wir die reconquista gegen die Mauren weiterführen, werden wir darauf angewiesen sein, dass Rom den Kreuzzug bewilligt. Seine Heiligkeit könnte uns aber Seinen Segen verweigern, falls wir keine Bereitschaft zeigen, die Häresie in Spanien auszumerzen. Außerdem: Wie beschwerlich kann es denn schon sein, ein paar gefallenen conversos den Prozess zu machen?«
    Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Fernando, vielleicht sind das nicht nur ein paar. Verstehst du denn nicht? Wenn das, was Mendoza und Torquemada sagen, zutrifft, könnte das die Verfolgung Hunderter, wenn nicht Tausender von unseren Untertanen bedeuten. Unsere Behörden müssten sie ergreifen und verhören. In unserem Volk würde dann Angst um sich greifen, und das zu einer Zeit, in der wir um sein Vertrauen werben.«
    »Aber das ist nun einmal der Gang der Dinge. Die Inquisition wurde vom heiligen Dominikus zu dem Zweck eingerichtet, die Unreinen von den Gläubigen zu trennen, um diejenigen zu läutern und zu erlösen, deren Seele sonst die ewige Verdammnis drohen würde. Ich kann einfach nicht glauben, dass das Tausende sein sollen. Aber selbst wenn es sich so verhielte, wäre es dann nicht besser, sich gleich mit ihnen zu befassen?«
    Er sprach in einem Ton, als stünde ihre Schuld bereits fest, als hätte er nicht den geringsten Zeifel daran, dass die Wiederbelebung des Heiligen Tribunals die einzige vernünftige Lösung sei. Einen Moment lang fiel mir keine Antwort darauf ein. Ich wusste, dass er meine Frömmigkeit teilte; wir beide nahmen regelmäßig an der Messe und an privaten Andachten teil. Für uns konnte es nur eine Kirche, nur einen Glauben geben. Wie sollte ich mir also diese grundlose Angst erklären, die mich bei dem Gedanken daran, seinen Weg zu beschreiten, befallen hatte?
    »Ist es wirklich das, was wir wollen?«, fragte ich vorsichtig. »Eine allein Rom verantwortliche Behörde zu absoluter Gerichtsgewalt über uns zu ermächtigen? Wenn wir Seine Heiligkeit um dieses Edikt bitten, müssen wir auch Seine Zuständigkeit für diesen Bereich akzeptieren. Ich bin nicht so begierig darauf, mir von Rom diktieren zu lassen, wie oder wann wir handeln sollen.«
    Sein Stirnrunzeln erleichterte mich. Wie mir widerstrebte es ihm, Rom in unsere Angelegenheiten mit einzubeziehen. Auch wenn wir keinen Streit mit dem Heiligen Stuhl suchten, wollten wir doch nicht, dass die Früchte unserer Arbeit dem hinsichtlich seiner Ansprüche unersättlichen Vatikan in den Schoß fielen, zumal unsere eigenen Schatzkammern so gut wie leer waren. Damit unser Land gedeihen konnte, mussten wir in der Lage sein, unsere Innenpolitik selbst zu bestimmen, auch in so heiklen Angelegenheiten wie der religiösen Einheit.
    »Was, wenn wir beantragen, die Inquisition unter unsere Kontrolle zu stellen?«, regte Fernando an. »Als Herrscher Kastiliens könnten wir ihre Aktivitäten überwachen, die Tribunale festlegen und die Aufseher selbst ernennen; wir könnten ein neues Heiliges Amt nach unseren Erfordernissen einrichten.«
    »Nun … das könnten wir«, erwiderte ich, verblüfft über die schnelle Lösung. Bisweilen hatte Fernando eine geradezu unheimliche Art, ein Problem an der Wurzel zu packen. »Aber wird Seine Heiligkeit

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