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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Zweifel daran habe, dass nicht wenige Männer hier in Kastilien sich bald wünschen werden, Gutenberg hätte dieses Gerät nie erfunden.«
    »Du bist unmöglich«, nörgelte ich. Aber nachdem er mich verlassen hatte, nahm ich das Büchlein vom Seitentisch und strich über seinen vergoldeten Deckel.
    Es war höchste Zeit, dem Reich zu zeigen, dass Frauen durch eine geeignete Erziehung auch einem höheren Zweck dienen konnten. Meine Isabél musste eines Tages heiraten und an einem fremden Hof als unsere Botschafterin wirken. Wie viel besser würde ihr das gelingen, wenn sie die Vorteile einer Bildung genießen konnte, die mir fehlte. Sie und Kastilien sollten die Wunder dieser neuen Epoche genießen dürfen! Ich wollte, dass Gelehrsamkeit und der Drang zu lernen unter den Frauen dieses Reiches zu etwas Alltäglichem wurden.
    Die bevorstehende Niederkunft machte mir einen Strich durch die Rechnung. Ich kam Wochen später als vorgesehen ins Wochenbett, nachdem ich mich mit Händen und Füßen gegen die Quarantäne gewehrt hatte, aber dann ging es schnell: Nach wenigen Tagen der Isolation zusammen mit meinen Vertrauten platzte die Fruchtblase. Binnen Stunden setzten die Wehen ein.
    Ich kam unter dem schweißgetränkten Schleier schier um, biss die Zähne aufeinander und presste mit all meiner Kraft. Der Schmerz war entsetzlich – er zerfetzte mich innerlich förmlich. In diesem Moment der völligen Erschöpfung dachte ich schon, das würde ich ganz gewiss nicht überleben; dieses Kind, nach dem ich mich so sehr gesehnt hatte und das ich in diesen neun langen Monaten mit nie nachlassender Liebe gehegt und gepflegt hatte, wäre mein Verhängnis.
    »Pressen, Isabella«, flüsterte Beatriz an meinem Ohr, und ich konnte ihre segensreich kühle Hand durch den tropfnassen Schleier spüren. »Die Hebamme sagt, dass der Kopf schon zu sehen ist. Nur noch ein bisschen fester …«
    »Geliebte Mutter Christi«, murmelte ich und spannte die Muskeln noch einmal an, »lass es einen Sohn werden. Bitte lass es einen Prinzen werden.«
    Alles, was ich wusste, alles, wonach ich strebte, wurde in diesem Moment zu einem einzigen zittrigen Atemzug zusammengeballt, zu einem schmerzhaften Keuchen und einem qualvollen Anspannen von Muskeln und dann dem erlösenden Strömen von warmem Blut.
    »Es ist da!«, hörte ich die Hebamme rufen. »Das Kind ist geboren!«
    Ich starrte verzweifelt von meinem Gebärstuhl nach unten und beobachtete, wie die vor mir kauernde Hebamme die Nabelschnur durchschnitt, von der winzigen weißen Gestalt alles Blut abtupfte, sie umdrehte und ihr Honig in den offenen Mund träufelte. Ich wartete mit heftig pulsierendem Körper, als stünde ich in Flammen, bis ich den ersten zornigen Aufschrei hörte und die Hebamme mich triumphierend ansah.
    »Kastilien«, erklärte sie in einem Ton, als hätte sie das ganze Ereignis persönlich eingefädelt, »hat einen Prinzen.«
    Wir nannten ihn Juan nach seinen beiden Großvätern und unserem Schutzheiligen, dem Täufer.
    Später sollte ich erfahren, dass Fernando ihn dem Hof mit Tränen in den Augen gezeigt hatte. Ich selbst erholte mich noch in meinen Gemächern und wollte erst nach der Taufe und meiner kirchlichen Segnung wieder vor die Öffentlichkeit treten. Aber Beatriz hielt mich über alles auf dem Laufenden: vom Stolz meines Mannes, als er den Infanten den jubelnden Höflingen entgegenreckte, was den kleinen Juan zum Weinen brachte, bis hin zu den wilden Festen, die im ganzen Reich tobten. In Segovia tanzten die Leute um ein Freudenfeuer, während in Salamanca hundert Stiere geschlachtet wurden – ein grässliches Spektakel, das mich in Wut versetzte, als ich davon erfuhr, und das ich auf keinen Fall gutheißen konnte. Aus Aragón sandte uns der alte König Juan ein riesiges goldenes Taufbecken; um es in die Kirche Santa María zu tragen, waren sechs Männer erforderlich. Außerdem schickte er uns eine persönliche Mitteilung mit der Bitte, Carrillo für seine früheren Vergehen eine Begnadigung mitsamt der Wiederherstellung seiner Einkünfte zu gewähren; das sei nach der Geburt unseres Sohnes eine Geste des Mitgefühls und auch des Respekts vor dem Erzbischof, der so machtvoll dafür gekämpft habe, uns den Thron zu sichern, und jetzt ein »trauriger und gebrochener Mann« sei.
    Ich stimmte zu. In meinem Herzen war kein Platz mehr für Zorn. Ich hatte Bestätigung erfahren; nach acht Jahren Ehe hatte ich den Fortbestand unserer Dynastie mit einem Prinzen gesichert, der

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