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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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war, und tatsächlich: Sobald wir die üblichen Freundlichkeiten ausgetauscht hatten, erklärte sie ohne Umschweife, dass sie einen dauerhaften Frieden zwischen unseren Nationen wollte.
    »Wir sind Nachbarn. Da ist doch niemandem genützt, wenn wir uns ständig in den Haaren liegen«, meinte sie und hob skeptisch die hellen Augenbrauen. »Schließlich haben wir die Familienbande und die Grenze gemeinsam.«
    »Ich bin voll und ganz Eurer Meinung«, erwiderte ich. »Und ist der König ebenfalls der Ansicht, dass das Kind Eurer Obhut anvertraut werden sollte?«
    »O ja.« Beatrice zögerte. »Allerdings fürchte ich, dass das Kind selbst diesbezüglich anderer Meinung ist.« Sie erhob sich aus ihrem gepolsterten Stuhl und öffnete die Flügeltür. Auf der Schwelle erschien Joanna. Steif wie ein Stock trat sie in ihrem prächtigen Samtgewand vor mich.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Mein Kind, wie schön, dich zu sehen! Du bist ja eine richtige Frau geworden!«
    Und das war sie in der Tat – sogar in einer äußerst beunruhigenden Weise. Ich hatte vergessen, dass sie nicht mehr das kleine Mädchen war, mit dem ich in den Garten des Alkazar hinausgegangen war, das ich nach meinem Belieben formen konnte. Mit ihren sechzehn Jahren hätte Joanna wunderschön sein können, hätte sich nicht vorzeitig Verbitterung in ihre Züge gegraben. Obschon ich sie verstohlen nach Ähnlichkeiten mit meinem verstorbenen Halbbruder absuchte, entdeckte ich in ihren Zügen lediglich ihre Mutter, Königin Juana. Sie war gertenschlank, hatte die gleichen verführerischen schwarzen Augen, das glänzende Haar und auch ihren Schmollmund. Ich versuchte, darüber hinwegzusehen, dass sie ostentativ einen Knicks und jedes sonstige Zeichen von Ehrerbietung verweigerte, aber dennoch wanden sich mir bei ihrem Gebaren Dornen ums Herz. Sie war meine eingeschworene Feindin, jederzeit in der Lage, sich zur Gemahlin irgendeines anderen lästigen Prinzen aufzuschwingen, wenn nicht sogar zu Alfonsos Königin. Das Letzte, was ich brauchen konnte, war eine Rivalin, die mir bei jeder Bewegung wie ein Schatten folgte, eine Galionsfigur, hinter der sich Unzufriedene wie jene in der Extremadura scharen konnten.
    »Erinnerst du dich an mich?«, fragte ich sie. Das Aufblitzen in ihren Augen verriet mir sofort, dass das der Fall war, auch wenn es ihr gefiel, das Gegenteil vorzugeben. Sie blieb stumm.
    »Antworte Ihrer Majestät!«, blaffte Beatrice und stupste das Mädchen unsanft an.
    Joanna bekam schmale Augen. »Ich sehe hier keine Königin«, psalmodierte sie mit auf Resonanz angelegter, näselnder Stimme. »Es sei denn, Euch wäre es lieber, ich würde mir selbst antworten.«
    Beatrice bedachte sie mit einem vernichtenden Blick. An mich gewandt, erklärte sie: »Das Kind hat am Hof Manieren angenommen, die ihr nicht gut bekommen. Sie hat zu viel Zeit damit verbracht, die Spekulationen anderer in sich aufzusaugen.«
    »Offenbar«, erwiderte ich, ohne die Augen von Joanna abzuwenden. Doch zu meinem Unbehagen erwiderte sie meinen Blick mit wohlbedachter Unverfrorenheit, sodass ich unwillkürlich die Hände unter den Ärmeln zu Fäusten ballte.
    »Du glaubst also, ein höheres Recht auf die Krone zu haben als ich?«, fragte ich sie unverblümt.
    Ein leichtes Zusammenzucken verriet mir, dass sie nicht ganz so voller Verachtung war, wie sie mich glauben machen wollte. Sie antwortete nicht sogleich. Ihr Mund war verkniffen, als nagte sie an der Innenseite ihrer Lippe.
    Doch dann platzte sie heraus: »Ich glaube, dass ich König Enriques Alleinerbin bin. Ich glaube, dass Ihr, Prinzessin Isabella, meinen Thron usurpiert habt und über mich die Schmähung verbreiten lasst, ich sei ein Bastard. Aber das Blut, das in meinen Adern fließt, ist so rein wie Eures, denn ich gehöre den Königshäusern von Portugal und Kastilien an.«
    »Ach, wirklich?« Ich zuckte mit keinem Muskel. In meinem Innern verfestigte sich unterdessen eine kalte Gewissheit: Joanna musste beseitigt werden. Ich konnte es mir nicht länger leisten, die Gefahr, die sie darstellte, zu missachten.
    Ich drehte mich zu meiner Tante um. »Wenn das so ist, haben wir wohl vieles zu erörtern. Mein ursprünglicher Plan war eindeutig zu milde.« Das war eine unverhüllte Drohung, und Joanna reagierte wie erhofft.
    »Niemand wird mich verleugnen!«, platzte sie heraus. »Ihr könnt mich mit Euren Machenschaften und schäbigen Lügen nicht übervorteilen. Ich bin die rechtmäßige Königin Kastiliens! Nie werde

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