Der Schwur der Königin
Zukunft.
Ich wandte mich mit einer ungeduldigen Geste an Medina Sidonia, der die allgemeine Panik mit verächtlicher Miene zu beobachten schien. »Hoher Fürst, möchtet Ihr …?«
Er brüllte seine Soldaten an, die alle wie Ölgötzen dastanden und nach oben zur halb verdeckten Sonne glotzten: »Los, Bewegung! Das ist ein Befehl Ihrer Majestät!«
Das Klappern der Hufe unserer Pferde sorgte in der lastenden Stille für ein beängstigendes Echo. Als wir den plaza und die dort wartende Menge erreichten, verschwand der störende Mondschatten gerade wieder, und das Tageslicht kehrte zurück.
Ich nahm Juan der Herzogin aus den Armen und erklomm mit ihm das Podest. Dort ließ ich den Blick über die gesichtslose Menschenmenge schweifen und zwang sie so, die Augen statt himmelwärts auf mich und das Kind in meinen Armen zu richten.
In Vorzeichen setzte ich keinerlei Vertrauen. Ich glaubte nicht an irgendwelche Mächte, die stärker waren als Gott.
Und Gott würde nie zulassen, dass meinem Sohn ein Leid zustieß.
1479 verließen wir zu Frühlingsbeginn die Gärten von Andalusien und kehrten nach Kastilien zurück.
Aus Rücksicht auf den kleinen Juan reisten wir in gemächlichen Etappen. Wegen seiner bedrohlichen Anfälligkeit für Koliken behielt ich ihn ständig bei mir. Zweimal schon hatte ich in den letzten sechs Monaten seine Milchamme gewechselt – ohne Erfolg. Inzwischen war ich so sehr um sein Wohlergehen besorgt, dass ich mich davon überzeugen ließ, ihm die Brust nicht mehr selbst zu geben, aber auch das half nicht. Ich zog eine ganze Schar von hoch angesehenen Ärzten zurate, Juden wie Mauren, und spendete ein kleines Vermögen für die Capilla de la Virgen de la Antigua , die Marienkapelle in der Kathedrale von Sevilla, der ebenfalls wundersame Heilungen zugeschrieben wurden. Fernando versuchte, mich damit zu ermuntern, dass viele Kleinkinder, die sich mit Koliken gequält hatten, mit der Zeit aus ihren Beschwerden herausgewachsen waren, doch ich litt mit Leib und Seele mit meinem Sohn und konnte dem Gerede anderer kaum zuhören. Isabél fuhr wie Beatriz und Inés in meiner Kutsche mit und wurde gleich uns auf den von Schlaglöchern übersäten Straßen kräftig durchgeschüttelt. Um Juan von seinen Magenschmerzen abzulenken, sang sie ihm Lieder vor und ließ silberne Rasseln vor seinen Augen baumeln.
Kurz nach unserer Ankunft in Segovia entdeckte ich, dass ich schon wieder guter Hoffnung war. Als ich von dem Eimer aufschaute, in den ich soeben mein Frühstück erbrochen hatte, blickte mich Beatriz voller Mitleid an. Fernando hatte darauf bestanden, seine ehelichen Rechte gleich wieder auszuüben, obwohl ich mich noch gar nicht dazu bereit fühlte. Grob war er zwar nicht gewesen, aber auch nicht gerade rücksichtsvoll, und in einem seltenen Ausbruch von Offenherzigkeit hatte ich mich bei Beatriz darüber beklagt, dass er bei dem Wort »später« anscheinend auf beiden Ohren taub war. Jetzt verriet mir ihr Blick freilich, warum er sich so verhielt. Juans Schwäche ließ Fernando bei Weitem nicht so kalt, wie er immer vorgab. Säuglinge starben jeden Tag, ob an Koliken oder anderen Ursachen. Kurz: Unsere Nachfolge war immer noch unsicher; wir brauchten einen zweiten Sohn.
Diese Notwendigkeit erhielt neue Dringlichkeit, als uns die Nachricht erreichte, dass Juan von Aragón nach jahrelangem Leiden gestorben war. Fernando brach sofort in seine Heimat auf, um an den Trauerfeierlichkeiten für seinen Vater teilzunehmen und sich mit seinen Cortes zu beraten, die gemäß unserem Ehevertrag unabhängig geblieben waren. Ursprünglich hatte ich ihn begleiten wollen, denn nach dem Ableben seines Vaters waren beide Königreiche wahrhaftig unter einer Krone vereint; doch dann konnte ich die Reise nicht mehr antreten – zwei Kinder, eines, das gepflegt werden musste, und eines, das unterwegs war, waren zu viel des Guten.
Die Zeit, als ich mein drittes Kind erwartete, erwies sich von Anfang an als problematisch. Ich war innerlich zerrissen, vermisste Fernando schon von dem Moment an, da er zur Tür hinausging, war andererseits sogar zu erschöpft, um auch nur mein eigenes Gemach zu durchqueren, zumal ich ständig von Übelkeit geplagt wurde, die mir Grauen vor den mir bevorstehenden Monaten der Einschränkungen einflößte.
Meine Stimmung besserte sich erst recht nicht, als mir mitgeteilt wurde, dass König Alfonso, dieser alte Ziegenbock, in der Extremadura einen weiteren Aufstand im Namen von Joanna la
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