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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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getragen. Ich konnte mich davonstehlen, nachdem sie mein Pferd unter mir abgeschossen hatten. Aber ich habe so viele Verwundete gesehen, so viele, die man zum Sterben einfach hat liegen lassen – ohne ein Wort des Trostes. Und dann sind die Zigeuner und Bauernknechte herangekrochen, um sie zu durchsuchen und zu zerstückeln, obwohl sie noch röchelten …«
    Ich prallte fassungslos zurück. Chacón stürzte an meine Seite. »Mein Gemahl, der … König«, stammelte ich, »er … er muss es erfahren.«
    »Dafür haben wir jetzt Boabdil«, krächzte Cádiz, der aufgesprungen war und in seiner Angst ganz vergessen hatte, um die Erlaubnis zu bitten, sich zu erheben. »Kurz bevor ich losgeritten bin, habe ich gehört, dass sie diesen erbärmlichen Verräter gefangen haben. Er hatte Granada verlassen, um einen Überfall durchzuführen. Er glaubte, wir wären so entscheidend geschwächt worden, dass wir uns nicht mehr wehren könnten. Aber der Graf von Cabra hatte von dem Plan erfahren und hat ihm aufgelauert. Jetzt ist er im Alkazar von Córdoba eingesperrt. Seine Mutter, die Sultanin, kocht vor Wut. Sie ist bereit, jeden Preis für seine Freilassung zu zahlen …«
    »Und wir müssen ihr Angebot in Betracht ziehen«, dröhnte Fernandos Stimme von der Tür herüber. Wir alle standen da wie vom Donner gerührt, als mein Gemahl in seiner purpur-goldfarbenen Robe hereingerauscht kam. Ich achtete auf seine Miene, während er auf Cádiz zutrat, der erneut auf die Knie gefallen war. Schon befürchtete ich, er würde eine Sturzflut von Beschimpfungen auf den Marquis herabprasseln lassen. Diese Niederlage war eine Katastrophe für uns. Auf einen einzigen unseligen Schlag hatten wir mehr als die Hälfte der andalusischen Garnisonsarmee verloren, die wir erst Wochen zuvor mit neuen Rekruten und zusätzlichen Geldmitteln verstärkt hatten. Doch Fernando blieb vor Cádiz stehen und sagte ruhig: »Ihr dürft Euch erheben, edler Herr. Ihr habt in unserem Namen offensichtlich die Qualen der Hölle durchlitten.«
    Cádiz gehorchte. Gleichwohl stand ihm die Angst im Gesicht geschrieben. »Majestät, bitte, ich flehe Euch an, mir …«
    Fernando brauchte nur einen Finger zu heben, um ihm Schweigen zu gebieten. »Es gibt nichts zu vergeben. Gott, der anders als wir immer weiß, was Er tut, hat uns eine Lehre in Demut erteilt. Die Guten müssen für eine Weile eine Strafe erleiden; aber er kehrt immer zurück, um uns beizustehen. Eigentlich« – um seine Lippen spielte ein grimmiges Lächeln – »hat er uns ja schon al-Hasans verräterischen Welpen in den Schoß gelegt, nicht wahr?«
    Während Cádiz sich, von seinen Gefühlen überwältigt, eine zitternde Hand an den Mund presste, drehte sich Fernando halb zu mir um und streckte mir den Arm entgegen. Ich spürte, wie sich seine kräftigen Finger um die meinen schlossen. Noch nie war ich so stolz auf ihn gewesen wie in diesem Moment. »Wir müssen aus unseren Fehlern lernen«, hörte ich ihn sagen. »Wir werden um die Toten trauern, die Überlebenden trösten und nie vergessen, dass Gott auf unserer Seite steht. Bei allem, was uns heilig ist, die Gottlosen werden nicht siegen.«
    Im April, dem Monat meines zweiunddreißigsten Geburtstags, waren wir wieder in Andalusien. Dort, im erhabenen Alkazar von Córdoba mit seinen roten Porphyrpilastern und hufeisenförmigen Bogengängen, saßen Fernando und ich auf unseren Thronen, über uns den Baldachin mit unseren Symbolen, den verknoteten Seilen und dem Joch, als der unrechtmäßige König von Granada vor uns trat.
    Boabdil hatte auf unseren Befehl hin Hausarrest in einem goldenen Käfig genossen, bei dem ihm bis auf die Freiheit jedes Privileg gewährt worden war. Der Prinz besaß geschmeidige Glieder und die olivfarbene Haut seines gemischten Bluts, üppiges, dunkles Haar, einen Vollbart, der die fein geschnittenen Lippen und die lange Nase umrahmte, und scharfsinnig blickende, klare Augen, die überhaupt nicht zu seinem unberechenbaren Wesen passten. Nach einer hitzigen Debatte in unserem Kronrat hatten wir uns darauf geeinigt, ihn in die Freiheit zu entlassen unter dem Vorbehalt, dass er von nun an unser Vasall und Verbündeter zu sein und einen jährlichen Tribut in Höhe von zwölftausend Gold- doblas zu entrichten hatte, sämtliche christlichen Gefangenen entließ und unseren Truppen freien Weg durch sein Territorium gewährte. Als Gegenleistung wollten wir ihn bei seinem Anspruch auf den Thron Granadas gegen den seines Vaters,

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