Der Schwur der Königin
ihre Königin schulde ich ihnen meinen Schutz, und ich bemühe mich darum, sie zum einzigen und wahren Glauben hinzuführen. Doch ich brauche Zeit. Ich kann keine Wunder bewirken.«
Er neigte den Kopf. »Ich fürchte, Ihr werdet ein Wunder benötigen, um sie alle zu retten.«
Als der Winter uns mit kalter Luft überzog, kamen Fernando und ich im Kloster von Guadalupe in der Extremadura wieder zusammen. Dort befand sich Kastiliens kostbarster Schrein, eine vom heiligen Lukas, dem Evangelisten, geschnitzte schwarze Madonna. Wir verweilten als Familie zwischen bedeckten Kreuzgängen und von bunten Ziegelmauern umrahmten Innenhöfen, in der Ferne die in Dunst gehüllten, zerklüfteten Gipfel der Kordilleren.
Ich verbrachte so viel Zeit wie nur möglich mit Isabél. Die inzwischen Zwölfjährige wuchs schnell zu einer grazilen Schönheit heran, die mit ihren goldfarbenen Locken geradezu engelhaft wirkte. Alle jüngeren Damen am Hof beäugten sie mit verstohlenem Neid, was sie jedoch nicht zu bemerken schien, fast als wäre sie immun gegen ihr eigenes Spiegelbild. Lieber verbrachte sie ihre Zeit damit, zu lernen und ihr Portugiesisch zu vervollkommnen, um sich auf ihre geplante Hochzeit mit dem Erben unseres Nachbarlandes vorzubereiten.
Wenn sie laut übte, spähte Juana oft argwöhnisch hinüber. Einmal platzte sie heraus: »Du tust ja so, als wenn du dich darauf freust, Spanien zu verlassen!« und rümpfte missbilligend die Nase.
»Mein Mädchen!« Fernando schmunzelte. »Eine Spanierin durch und durch.« Er hob Juana zu sich hoch, und sie zupfte ihm, vor Entzücken quietschend, die Kappe herunter, womit sie seine Glatze zum Vorschein brachte. Ich verkniff mir eine strenge Miene. Er verwöhnte sie viel zu sehr. Sogar einen Spitznamen hatte er für sie: »Madrecita«, weil sie ihn an seine verstorbene Mutter erinnerte. Zahllose Male hatte ich ihm vorgehalten, sie dürfe nicht in dem Glauben heranwachsen, sie hätte mehr Vorrechte als unsere anderen Töchter, denn auch sie würde eines Tages den ihr zugewiesenen Platz in der Welt einnehmen müssen. Doch Fernando zwickte sie dann einfach ins Kinn und rief: »Meine Madrecita wird immer eine Botschafterin Spaniens sein, egal wohin sie kommt, nicht wahr?« Und Juanas begeistertes » Si , Papa!« konnte mich auch nicht beruhigen. Am Ende redete Fernando ihr noch so viele Flausen ein, dass sie sich einbildete, kein Prinz der Welt sei ihrer wert oder in der Lage, an ihren Vater heranzureichen.
In diesem Winter feierten wir Weihnachten gemeinsam. Zum Gesang von Spielleuten schnitten wir Pasteten auf, aus denen erschrockene Sperlinge aufflogen, und schmückten die Krippe mit Figuren aus Elfenbein. Der Schneefall war leicht und ergab nicht mehr als einen Zuckerüberguss, der den Feiertagen auch ohne die übliche klirrende Kälte Glanz verlieh. In der Dreikönigsnacht zogen wir in einer von Kerzen beleuchteten Prozession zur Kathedrale von Segovia, um die Mitternachtsmesse zu hören, bei welcher der Dominikanerchor von Santa María einen ergreifenden Lobgesang zur Huldigung der Geburt Christi anstimmte. An der Seite meines Gemahls, umgeben von meinen Kindern und hinter mir meine lebenslange Freundin Beatriz, kniete ich mich zum Empfang der Kommunion vor den Altar und dankte Gott von Herzen für all das, was er mir geschenkt hatte.
Ich konnte nicht wissen, welcher Preis später von mir dafür verlangt werden würde.
29
Mitten in der Nacht wurde ich geweckt. Auch wenn Fernando und ich als Monarchen in getrennten Gemächern wohnten, war es uns an diesem Abend immerhin gelungen, gemeinsam zu speisen, und in einem wegen der vielen Ansprüche an uns selten gewordenen Moment der Intimität war er leidenschaftlich geworden. Danach schlief er in meinen Armen ein. Den Kopf an meine Brust geschmiegt, lag er da, und ich streichelte seine struppigen Brusthaare. Als ich vereinzelte weiße Härchen entdeckte, stieg Zärtlichkeit in mir empor.
Stunden später riss mich das hartnäckige Pochen aus dem Schlaf. Mit einem Grummeln grub Fernando seinen Kopf in ein Kissen, als ich ihn zur Seite schob. Dann hüllte ich mich in meinen Morgenrock und tapste hastig zur Tür. Auch wenn es März und der Winter fast vorbei war, hatte sich die ganze Kälte der Nacht auf den Steinboden des Alkazar gelegt, sodass ich am ganzen Leib zitterte, als ich die Tür einen Spaltbreit aufstieß. Inés spähte herein. Ihr zu einem Zopf geflochtenes Haar steckte unter einer Nachtmütze.
»Was ist los?« Ich
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