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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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zeigen oder dergleichen bei mir billigen würden. Doch als wir uns umarmten, spürte ich, wie ihre Gestalt erzitterte, und hörte sie mit tränenerstickter Stimme murmeln: »Denk an alles, was ich dich gelehrt habe. Denk daran, dass du nie der Leidenschaft nachgeben darfst. Ich habe dich beschützt und für deine Sicherheit gesorgt, solange ich konnte. Jetzt musst du der Welt beweisen, wer du bist.«
    Als sie mich losließ, überwältigte mich mit einem Mal die Tragweite unserer Abreise. Ich wollte mich auf die Knie werfen, meine Mutter anflehen, mich bleiben zu lassen. Aber ihre Miene war unerbittlich, sodass ich stattdessen auf Alfonso zutrat. Ich sehnte mich danach, seine Hand zu ergreifen und nie wieder loszulassen.
    Don Chacón, der uns zu meiner großen Erleichterung an den Hof begleitete, führte uns zu unseren bereitstehenden Pferden. Nachdem er mir auf Canela geholfen und seinen Platz im Begleittross eingenommen hatte, knurrte Girón von seinem Schlachtross herab: »Hübsches Spielzeug, dieses Pferd. Aber nach Segovia ist es ein langer Ritt; da haben wir keine Zeit für zarte Hufe. Möchtet Ihr nicht lieber hier oben bei mir mitreiten? Auf dem Sattel ist mehr als genug Platz.«
    »Canela ist kräftiger, als er aussieht«, entgegnete ich und ergriff die Zügel. »Außerdem ist er ein Geschenk des Königs.«
    Ein Schatten verfinsterte Giróns Gesicht. Er sprengte nach vorn und befahl den Soldaten loszureiten. Als wir zum Tor hinaustrotteten, hielt sich Alfonso dicht neben mir. Ich widerstand dem Drang zurückzuschauen und richtete die Augen geradeaus, als sich plötzlich einer von Alfonsos Hunden von seiner Kette losriss und uns mit einem entschlossenen Bellen hinterherjagte.
    Schon hob Villena seine Peitsche. »Nein, tut ihm nichts!«, rief Alfonso. Wütend funkelte ihn der Marquis an und trieb sein Pferd weiter, was es Alfonso ermöglichte, dem Hund zu befehlen: »Nein, Alarcon! Lauf zurück!« Er wies herrisch auf die Burg. »Lauf zurück nach Hause!«
    Wimmernd setzte sich der Hund. Alfonso blickte mich fragend an. Diesmal gelang es ihm nicht, die Verwirrung in seinen Augen zu verbergen. »Er versteht das nicht. Er glaubt, wir würden für immer weggehen. Aber das stimmt doch nicht, Isabella, oder? Wir kehren doch zurück, richtig?«
    Ich schüttelte den Kopf. Die Zeit der Schonung war vorbei. »Ich weiß es nicht.«
    Obwohl keiner von uns zurückblickte, wussten wir beide, dass Alarcon am Burgtor sitzen geblieben war, ein Häufchen Elend, während wir über die trostlose Ebene seinem Blick entschwanden.

5
    Weiter als bis Ávila waren wir bisher nie gereist, und als wir die Hochebene, die Meseta , hinter uns ließen, legte sich Alfonsos Melancholie allmählich. Das lag zum einen an dem abwechslungsreichen Panorama, aber auch an seinem natürlichen Interesse für alles Neue. Die ockerfarbene, weite Ebene, wo wir aufgewachsen waren, wich einer üppigen Landschaft, beherrscht von Pinienwäldern, erhabenen Schluchten und in Dampfschwaden gehüllten Tälern und Wiesen. Gelegentlich bekamen wir Hirschrudel zu sehen, die einem rostbraunen Blitz gleich davonstoben, woraufhin mein Bruder sich jedes Mal in seinem Sattel aufrichtete.
    »Habt Ihr diesen Hirschbock gesehen? War der mächtig! Das muss ein großartiges Jagdgebiet sein.«
    »Das beste, das es gibt!«, näselte Villena. »Unser König möchte Eure Hoheit persönlich in die Vielfalt unserer Jagdgründe einführen. Wildschweine, Rotwild, Bären – er jagt alles. Seine Majestät ist ein trefflicher Jäger.« Während er sprach, warf er seinem Bruder einen Blick zu, der gerade irgendetwas aß. Mit vollem Mund knurrte Girón: »Richtig, er jagt für sein Leben gern. Er weiß genau, was er aufspießt.«
    Villenas leises Lachen enthielt einen widerwärtigen Unterton. Ich spürte, dass eine unausgesprochene Botschaft zwischen den Brüdern hin und her wanderte, irgendeine Täuschung, doch meine Lippen lächelten unverdrossen weiter, als Alfonso rief: »Bären! Ich habe noch nie Bären gejagt!«
    Rings um uns breitete sich die mit grauen und rostroten steinernen Festungen übersäte Landschaft aus wie ein grünender Teppich. Ich wusste, dass viele dieser Burgen Eigentum der kastilischen Granden waren, die sie während der reconquista , des jahrhundertelangen Kriegs zur Rückeroberung der von den Mauren besetzten Gebiete, als Bollwerke errichtet hatten. Jetzt, da die Ungläubigen in ihr bergiges Königsreich Granada zurückgedrängt worden waren, waren diese

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