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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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nun nicht im Mittelpunkt des Hofs residieren würden. Von der langen Reise und meinem vielen Grübeln war ich müde und wollte – anders als sie – meine Gedanken in Ruhe ordnen, bevor wir ins höfische Leben gestürzt wurden.
    So tauchten wir in den Lärm einer Stadt ein, die doppelt so groß war wie Ávila und dreimal so viele Menschen beherbergte. Die engen Straßen waren entweder aus Kopfsteinpflaster oder aus fest getretenem Lehm. Das Klappern der Hufe unserer Pferde hallte von den nahe beieinanderstehenden Häusern wider, als Beatriz und ich hinter Alfonso durch die Stadt ritten. Rings um uns hatten sich Villena, Girón, Chacón und die Soldaten verteilt. Die Gerüche von Pferdeäpfeln, Rauch, kochendem Essen und der aus Gerbereien und Schmieden dringende Gestank mischten sich in der stehenden Luft. Es erforderte meine ganze Konzentration, um zu verhindern, dass der vom Geschrei der Passanten schon ganz nervöse Canela sich aufbäumte. Mithilfe ihrer Hellebarden bahnten uns die Soldaten eine Gasse durch die Menschenmenge. Einige der Stadtbewohner blieben gaffend stehen und tuschelten hinter vorgehaltener Hand.
    Was mochten sie sagen? Was mochten sie wohl sehen? Sicher nicht mehr als ein heranwachsendes Mädchen, dessen Haar sich unter dem Schleier gelöst hatte, und einen sehr jungen Burschen, den Schmutz der Landstraße unter den Fingernägeln – zwei Unschuldige, die in eine Welt versetzt worden waren, in die sie nicht gehörten.
    Ich schaute zu Villena hinüber. Er ritt lässig einher, seinen golden gesäumten Umhang um sich gewickelt, das Kinn erhoben, wie um sich dem Gestank der Straße zu entziehen. Als spürte er meinen prüfenden Blick, wandte er seine gelbgrünen Augen mir zu. In diesem Moment ritten wir durch ein im maurischen Stil mit kleinen Steinen besetztes Tor in den Königspalast, wo Carrillo mit besorgt gerunzelter Stirn auf uns wartete.
    »Ihr seid verspätet«, sagte er, als wir abstiegen. »Seine Majestät hat sich für heute Abend die Gesellschaft der Infanten gewünscht.« Er bedachte mich mit einem flüchtigen Lächeln. »Meine Liebe, du musst dich beeilen. Wir werden binnen einer Stunde im Alkazar erwartet.«
    »Hoffentlich haben wir noch Zeit, um zu baden«, flüsterte ich Beatriz ins Ohr. Sie wollte schon eine Antwort murmeln, als ein dünner Mann von mittlerer Größe aus dem Palast trat. Er trug ein schlichtes schwarzes Samtwams von tadellosem Schnitt, das an der Taille hoch geschlitzt war, damit die eleganten Beine in der bestickten Strumpfhose besser zur Geltung kamen. Er verbeugte sich und sprach mit der wohltönenden Stimme eines Höflings. »Ich bin Andrés de Cabrera, Gouverneur des Alkazar von Segovia. Es ist mir eine Ehre, Eure Hoheit zu Euren Gemächern zu eskortieren.«
    Er vermittelte mir auf Anhieb ein Gefühl von Ungezwungenheit. Mit seinem ernsten Gesicht, dem schütteren Haar und den tief liegenden braunen Augen erinnerte er mich an Pedro de Bobadilla, Beatriz’ Vater, nur war Cabrera viele Jahre jünger. Beatriz reagierte ebenfalls auf seine Gegenwart. Mit leuchtender Miene erklärte sie: »Wir sind Euch für Euren Beistand zutiefst dankbar, Don Cabrera.«
    »Es ist mir ein Vergnügen. Bitte folgt mir.« Erst jetzt bemerkte ich, dass Alfonso nicht mehr bei uns war. Ein Blick vorbei an den Dienern, die sich um unser Gepäck kümmerten, offenbarte mir, dass Carrillo meinen Bruder in die entgegengesetzte Richtung führte. Und Don Chacón, der sich Alfonsos Truhe aufgeladen hatte, trottete gehorsam hinterher.
    Angst schnürte mir die Brust zu. »Wohin geht mein Bruder?« Obwohl ich mich um einen ruhigen Ton bemühte, hörte ich in meiner Stimme einen panischen Unterton.
    Cabrera zögerte. »Seine Hoheit hat natürlich seine eigenen Gemächer.« Und mit einem liebenswürdigen Lächeln fügte er hinzu: »Sorgt Euch nicht, Hoheit. Beim Bankett werdet Ihr ihn wiedersehen.«
    »Oh.« Ich presste ein Lachen hervor. »Natürlich. Wie dumm von mir.«
    Was er sagte, klang vernünftig. Jetzt, da wir am Hof waren, musste Alfonso ein seinem Rang entsprechendes Leben führen. Da würden mehr als nur ein paar Türen zwischen uns liegen, und wir konnten uns nicht mehr nach Lust und Laune treffen. Doch die abrupte Trennung lastete auf mir, während wir, Beatriz dicht an meiner Seite, den Palast verließen und in das labyrinthartige casa real eintauchten. Dort schritten wir durch prächtige Säulengänge, die sich auf Terrassen voller zitronengelber Blüten öffneten. Von den

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