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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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mit seiner Frau und Beltrán geteilt hatte. Und als ich einmal beobachtete, wie Juana die Hand lasziv über den muskelbepackten Arm irgendeines Höflings gleiten ließ und die karminroten Lippen einladend öffnete, musste ich schier die Finger ineinander verkrallen, um nicht aufzuspringen und hinauszustürzen.
    Mit Einsetzen der Schneeschmelze wurde der Krieg fortgesetzt. Von Cabrera erfuhr Beatriz, dass eine Reihe von Städten, darunter Toledo, Alfonso weiterhin unterstützten. Toledo war Carrillos Erzbistum, das älteste und wohlhabendste von ganz Kastilien. Seine Haltung ermutigte viele unserer Granden, sich auf die Seite der Rebellen zu schlagen. Enrique verlor an Boden, doch ich lebte in der ständigen Angst, Kunde von Alfonsos Tod zu erhalten. An einem tief in meiner Seele verborgenen Ort glaubte ich immer noch, dass Gott jene niederstrecken würde, die nach der Absetzung ihres rechtmäßigen Monarchen strebten.
    Ich begann mit einer Fastenzeit. Dieses altehrwürdige Ritual der Heiligen, so nahm ich an, würde mir Trost spenden, den ich in der Tat nötig hatte. Beatriz flehte mich an, wieder zu essen. Ich könne es mir wahrlich nicht leisten zu verfallen, hielt sie mir vor, doch ich hörte nicht auf sie.
    So hatte ich mehrere Wochen lang nur Wasser zu mir genommen, als sie mich in einer eisigen Märznacht plötzlich wachrüttelte. Einen Zeigefinger warnend an ihre Lippen gedrückt, legte sie mir einen Umhang um die Schultern und führte mich vorbei an dem schlafenden Dienstmädchen in den Korridor und weiter durch den Alkazar hinaus in die eisige Nacht. Nachdem wir den großen Platz überquert hatten, standen wir vor der Kathedrale.
    Dort wartete Cabrera. Ich hatte ihn seit Monaten nicht mehr gesehen. Er hatte mir gefehlt, doch er gab mir keine Gelegenheit, ihm das zu sagen. Stattdessen zog er mich ins Dunkel der Kathedrale. »Wir haben wenig Zeit«, flüsterte er. »Der Prior des Klosters Santa Cruz hat um ein Gespräch mit Eurer Hoheit gebeten. Er sagt, er hätte eine wichtige Nachricht für Euch. Aber Ihr müsst schnell sein. Sollte die Königin dahinterkommen, dass ich Euch zu ihm geführt habe, verliere ich meine Stellung am Hof.«
    Ich nickte fröstelnd. Was war nur so wichtig, dass der Prior des ältesten Dominikanerklosters Segovias mich mitten in der Nacht sprechen wollte? Es war so kalt, dass mein Atem vor mir in Form von Wolken aufstieg. Und meine Schritte hallten beängstigend laut wider, als ich mich dem erhabenen, ganz aus Holz gefertigten Chorraum näherte. Vor Unserer Jungfrau der Schmerzen flackerten Votivkerzen, in deren Licht die kristallenen Tränen auf ihren fleischfarbenen Wangen und der aus ihrer mit Samt umwickelten Brust ragende goldene Schwertschaft glitzerten. In der Luft hing der Geruch von altem Weihrauch, ein reicher Duft, den nicht einmal die Kälte vertreiben konnte.
    Fast hätte ich die im Schatten wartende Gestalt nicht bemerkt. Der Mann hatte die schlanken, geäderten Hände über seine weiße Robe gefaltet, über die von den gebeugten Schultern ein schwarzer Umhang herabfiel. Er war groß und hager, von der zeitlosen Magerkeit eines Asketen. Seine ernst blickenden Augen, die von einer höchst ungewöhnlichen graublauen Tönung waren, hoben sich auffällig von seiner breiten, flachen Nase und den dünnen Lippen ab. Dann neigte er das bis auf einen Haarkranz kahle Haupt und sprach mich mit leiser, gepflegter Stimme an – der Stimme eines Mannes, der sich strenge Mäßigung auferlegt hat und es vermag, die Begierden des Fleisches zu beherrschen.
    »Eure Hoheit, ich bin Fray Tomás de Torquemada. Es ist mir eine Ehre, Euch zu begegnen.«
    Ich zog meinen Umhang enger um mich. »Mir wurde gesagt, dass Ihr mich sprechen möchtet?«
    Er nickte. »Vergebt mir; Ihr müsst frieren. Kommt, wir können bei den Kerzen sitzen. Auch wenn ihr Licht schwach ist, wird die Nähe Unserer Heiligen Mutter Euch wärmen.«
    Ich ließ mich neben ihm auf einer Bank nieder. Einen Moment lang schwieg er, die Augen auf das kummervolle Gesicht Unserer Heiligen Jungfrau geheftet. Schließlich begann er: »Mir wurde gesagt, dass Ihr seit nunmehr beinahe zwei Jahren ohne den Beistand eines privaten Beichtvaters lebt. Doch als ich meine Dienste anbot, wurde ich zurückgewiesen.«
    »Oh?« Ich war bestürzt. »Davon wusste ich nichts. Niemand hat mir etwas gesagt.«
    Er musterte mich, ohne zu blinzeln. Selbst wenn er schwieg, ging eine ungeheure Macht von ihm aus. »Wie konntet Ihr auch? Ich stellte ein

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