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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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verfolgt von den wissenden Blicken der Höflinge, die schon miteinander tuschelten, bevor ich sie passiert hatte.
    Was immer Enrique für mich als seine Schwester empfinden mochte, ich stand immer noch unter dem Verdacht des Verrats und hatte schreckliche Angst.

9
    Im Alkazar bezog ich Gemächer, die über einen kurzen Gang mit denen von Juana verbunden waren. Die Wandverkleidung aus vergoldeten Holzpaneelen und Teppichen täuschte ebenso wie die mit Alabaster gefliesten Böden darüber hinweg, dass es sich in Wahrheit um ein Gefängnis handelte. Spontane Ausbrüche in die Gärten oder Besuche der Kathedrale konnte ich nun nicht mehr genießen. Ohne eine von der Königin handverlesene und von Mencia angeführte weibliche Eskorte war mir jeder Ort verboten.
    Jeden Tag schüchterten sie mich mit Drohungen ein, dass man mich in ein Verlies werfen würde, sollte ich die Rebellen in irgendeiner Weise unterstützen. Ich hätte mich geschmeichelt fühlen können, dass sie mir immer noch so große Macht zutrauten, hätte ich nicht so bange auf Nachrichten über den Krieg gewartet. Ich wusste, dass der König Beltrán de la Cueva zum Oberbefehlshaber seines Heeres ernannt hatte und dass einige hohe kastilische Adelige, darunter der Marquis von Santillana und der mächtige Herzog von Alba, Enriques Aufruf an sie und ihre Vasallen, ihn zu verteidigen, befolgt hatten.
    Doch dann verstrichen die Wochen ohne weitere Nachrichten von der Welt draußen, denn Juana hatte ihren Sekretär beauftragt, jede Botschaft abzufangen. Schließlich ließ ich alle Vorsicht fahren und bat Beatriz, die Gespräche in den Galerien zu belauschen und Cabrera zu befragen. So fand sie heraus, dass die königliche Armee bei Tordesillas am Zusammenfluss der Ströme Duero und Pisuerga aufmarschiert war und es eine blutige Schlacht mit den Rebellen gegeben hatte. Der König und Alfonso waren mit dem Leben davongekommen, aber viele andere waren gefallen.
    Trost fand ich nur im Gebet. Juana hatte mir meinen eigenen Beichtvater verweigert und zwang mich, ausschließlich gemeinsam mit ihr an der Messe teilzunehmen, bei der sie ihre Langeweile kaum verbarg, während ihre Hofdamen ungeniert miteinander tuschelten, ohne auf die Worte und Rituale des zunehmend nervös werdenden Priesters zu achten. Kaum war der Gottesdienst beendet, kehrten sie und ihre Hofdamen in Juanas Gemächer zurück, nur um dort herumzuflattern, ihre Fingernägel zu bemalen und zu polieren, einander die Augenbrauen zu zupfen, das Haar zu bürsten und alle möglichen Schleier, Schuhe und Anhängsel anzuprobieren, die Juana zu Dutzenden von den Kaufleuten aus Segovia kommen ließ. Nie hatte ich sie abgrundtiefer verachtet als in diesen Momenten, da sie sich gebärdete, als gäbe es all die Männer gar nicht, die ihr Blut vergossen, um ein Kind zu verteidigen, das sie möglicherweise sündhaft empfangen hatte.
    Sobald ich diesen albernen Zeitvertreib hinter mir lassen durfte, suchte ich jeden Nachmittag die steinerne Kapelle im Burghof auf und flehte Gott an, all jenen zu helfen, die aus ihren vom Krieg verwüsteten Gehöften und Dörfern geflohen waren. Ich betete für die Armen und Hungrigen, die Kranken und Schwachen, die jedes Mal die Ersten waren, die das Leid zu spüren bekamen. Ich betete für meine aus Arévalo verbannte Mutter und für Fernando, von dem ich seit Monaten keine Nachricht mehr erhalten hatte; vor allem aber betete ich für Alfonso, der wegen der Machtgier anderer in größter Gefahr schwebte.
    Der Beginn des Winters bewirkte, was meine Gebete nicht erreichten, und zwang die Kriegsparteien zu einem Waffenstillstand. Ausgemergelt und blass kehrte Enrique nach Segovia zurück. Er nahm mich während der glanzlosen Weihnachtsfeierlichkeiten kaum wahr und verließ den Hof unmittelbar nach dem Tag der Heiligen Drei Könige, um zu seinem Jagdpalais bei Madrid zu galoppieren und sich dort »in die Obhut seiner Lustknaben und übelriechender Raubtiere« zu begeben, wie Juana spottete.
    In Segovia eingesperrt, wurde ich mager und ruhelos. Ständig musste ich bei Juana und ihren Hofdamen sitzen und ihren albernen Zeitvertreib über mich ergehen lassen, zusehen, wie die Königin zu viel Wein trank und die Nächte in hautengen Strumpfhosen mit ihren Galanen durchtanzte und Beltrán de la Cueva auch dann noch schöne Augen machte, wenn dieser halb besinnungslos neben seiner Frau in einem Stuhl flegelte. Nie konnte ich vergessen, was mir Enrique darüber erzählt hatte, wie er das Bett

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