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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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bei eurer Geburt erdrosseln sollen.«
    »Juana, basta !«, fauchte Enrique. »Ich habe Isabella gerufen, um zu hören, was sie zu sagen hat.«
    »Wozu?« Die Königin stieß Bischof Mendozas Hand zur Seite. Dabei hatte er sie nur beschwichtigen wollen. »Was kann sie denn schon sagen, das jetzt noch von Belang wäre? Carrillo und Villena haben dich mit Alfonsos Krönung provoziert. Da wird sie natürlich um das Leben ihres Bruders flehen. Du darfst nicht auf sie achten. Du musst sie einsperren, bis die Zeit kommt, sie an irgendeinen fremden Prinzen zu verheiraten, damit sie keinen Unfug mehr anstellen kann.«
    Meine Gedanken wirbelten durcheinander. Alfonso sollte danach trachten, unseren Bruder zu stürzen, der – ob zum Guten oder zum Schlechten – unser gesalbter König war? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Doch der drohende Unterton der Königin verriet mir, dass sie nicht ruhen würde, bis sie meinen Bruder tot und mich in weiter Ferne von meiner Heimat wusste.
    »Juana!« Enrique sprach ihren Namen mit Bedacht aus und in einem angespannten Ton, wie ich ihn noch nie bei ihm gehört hatte. »Alfonso ist nicht mein Feind. Ja, er hat unrecht getan, indem er sich von ihnen eine Krone hat aufsetzen lassen, aber mir ist gesagt worden, dass er dabei mit seinen beschränkten Möglichkeiten, die Ereignisse zu überschauen, heillos überfordert war. Ganz offenbar musste er das über sich ergehen lassen, weil er Angst hatte, dass sie ihm sonst etwas antun würden. Ich werde schon noch erfahren, wer genau dahintersteckt, aber fürs Erste möchte ich von meiner Schwester Isabella hören, was sie darüber denkt.«
    Die Betonung unserer Blutsverwandtschaft stieß nicht auf taube Ohren. Die Königin warf wütend die Arme hoch und wirbelte zu Mendoza herum. »Seht Ihr? Er hört nicht auf mich! Er erachtet meinen Rat nicht wert, gehört zu werden. Aber diese unaufrichtige … Person nimmt er ernst, obwohl sie bestimmt mit ihrem verräterischen Bruder unter einer Decke steckt. Ich habe ihn davor gewarnt, dass es so kommen wird, aber er hat gesagt, ›nein, nein, wir sind doch Geschwister, sie werden mir nie Schaden zufügen. Lass Carrillo sich um Alfonso kümmern und Isabella hier am Hof bleiben‹. Nun, seht Euch nur an, was passiert ist! Seht Euch nur an, wie sich das gelohnt hat! Seht Euch nur an, wie diese liebenden Geschwister ihrem König dienen und gehorchen!«
    »Es reicht!«, bellte Enrique. »Hinaus mit euch allen! Ich möchte mit meiner Schwester allein sein!«
    Beltrán de la Cueva trat neben Juana und führte sie hinaus, wenn auch nicht ohne einen bösen Blick in meine Richtung zu werfen. Und Mendoza murmelte: »Seid behutsam mit ihr, hoher Herr. Vergesst nicht: Sie ist immer noch eine Infantin.«
    Dann war ich allein. Allerdings konnte ich meinem Halbbruder nicht in die Augen sehen, da er mich weiter knien ließ und mir bislang auch nicht gestattet hatte, mein Schweigen zu brechen. Noch nie hatte ich die Gefährlichkeit meiner Lage so eindringlich gespürt wie in diesem Moment. Auf einmal bekam ich Angst, man würde mich in einen Kerker werfen und eine Armee entsenden, damit sie Alfonso tötete. Ich würde in Ungnade fallen und unser Name geschändet werden. Alfonso würde als der Rebell in die Geschichte eingehen, der seinen Halbbruder verraten hatte, und mich würde man zwingen, entweder in ein Kloster einzutreten oder im Ausland zu heiraten, ohne jede Aussicht auf eine Rückkehr nach Kastilien.
    Enrique stieß einen Seufzer aus – einen lang gezogenen Klagelaut, der mich unwillkürlich aufblicken ließ. Seine hervorquellenden Augen waren tränennass. Mit bebender Stimme sagte er: »Schwöre mir, dass du nichts davon wusstest. Schwöre mir, dass du dich weder mit Worten noch mit Taten an diesem schändlichen Akt beteiligt hast.«
    »Ich schwöre«, flüsterte ich.
    Einen langen Moment musterte er mich. »Sie will, dass ich dich in eine Zelle sperre. Sie sagt, du und Alfonso wärt die Ausgeburt dieser Wölfin, die schon immer meinen Tod wollte. Ist das wahr? Möchtest du, dass dein Bruder an meiner Stelle König von Kastilien wird?«
    Ich brachte kein Wort hervor. Ich konnte ihm nichts von all den Jahren erzählen, in denen meine Mutter Gift und Galle über ihn ausgespuckt hatte, noch von meinen eigenen Konflikten als seine Schwester, die hin- und hergerissen war zwischen Liebe zu Alfonso und Treue zu meinem König. Verzweifelt suchte ich eine Antwort, fand in mir jedoch nichts als dröhnende

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