Der Schwur der Königin
Leere, bis ich mich auf einmal zu meiner eigenen Überraschung sagen hörte: »Ihr seid mein König, aufgrund göttlichen Rechts für die Herrschaft gesalbt. Nie würde ich es wagen, Gottes Willen anzuzweifeln.«
Er zuckte zusammen, als hätten meine Worte Widerhaken. »Anscheinend bist du nicht ganz so arglos, wie sie sagen, auch wenn du erkennst, wer im Recht ist – und wer nicht.«
Ich musterte ihn unverwandt. Die Schmerzen in den Knien spürte ich kaum, während ich verfolgte, wie er sich erhob und zum Fenster schritt. Dort zog er die Vorhänge zur Seite, sodass das grelle Licht der sterbenden Nachmittagssonne hereinflutete. »Glaubst du, dass sie von mir ist?«, fragte er abrupt.
Angst wallte in mir auf. »Sie …?«, ächzte ich, obwohl ich verstanden hatte, was er meinte.
Er blickte mich nicht an. Mit leiser Stimme, als spräche er mit sich selbst, sagte er: »Juana schwört das, aber ich bin nicht davon überzeugt, das war ich noch nie. Und wenn ich mir nicht sicher bin, wie kann ich das dann von anderen erwarten? Wie kann ich mein eigenes Fleisch und Blut für ein Kind plündern, das vielleicht gar nicht meines ist?«
Ihm entwich ein freudloses Lachen. »Ein einziges Mal genügt schon, hat sie gesagt. Und das hat es gegeben, in dieser durchzechten Nacht zusammem mit Beltrán. Da ist sie guter Hoffnung geworden, glaubt sie. Aber da waren wir zu zweit bei ihr im Bett. Wie kann ich wissen, wessen Samen fruchtbar war?«
Er richtete die Augen wieder auf mich. Ich sah die Qual, den Zweifel in seinem Gesicht. Er kannte die Wahrheit ebenso wenig wie ich, wusste nicht, was er glauben sollte. Während alles in mir danach schrie, aus dieser verkrampften Haltung befreit zu werden, ließ er den Kopf sinken. Seine nächsten Worte waren so leise, dass ich sie kaum noch vernahm.
»Aber natürlich ist nichts davon jetzt noch von Belang. Wegen dieser Tat deines Bruders muss ich um ihretwillen Krieg führen.« Er hob den Kopf wieder. »Und Alfonso könnte er das Leben kosten.«
»Bitte«, flehte ich, »bitte tut ihm nichts an. Er ist doch erst zwölf Jahre alt. Er versteht die Schwere seiner Tat noch nicht.«
Enrique nickte. »Nein, natürlich nicht. Wie denn auch? Deswegen wollte ich ihn ja bei mir am Hof behalten. Ich dachte, wenn er mich erst kennenlernt, wird er es sich doppelt überlegen, bevor er mich verrät. Das war mein Fehler – und nicht der einzige. Ich habe zugelassen, dass Carrillo sich seiner annimmt, obwohl ich seit Jahren weiß, dass der Erzbischof mich verachtet und alles tun würde, um mich vom Thron zu stürzen. Und dass er auch nicht davor zurückschrecken würde, meinen Bruder als Waffe zu benutzen. Aber Alfonso hat es trotzdem getan. Er hat geduldet, dass sie ihm eine Krone auf den Kopf setzen, eine Krone, die zu tragen er kein Recht hat.«
Er hob die Hand zum Zeichen, dass ich aufstehen durfte. »Gibt es noch etwas, das du mir sagen möchtest?«
Ich sprach mit abgehackten Worten, konnte meine Angst nicht länger verbergen. »Ich bitte Euch, Majestät: Zieht noch nicht in den Krieg. Lasst mich zu ihm gehen. Ich werde nach Arévalo zurückkehren und ihm von der Burg meiner Mutter aus eine Nachricht senden. Er wird kommen, das weiß ich. Und ich werde ihm zureden, bis er bereut. Ich werde ihn persönlich an den Hof bringen, damit er Euch auf Knien um Vergebung anfleht, und zwar vor allen.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich weiß, dass du so handeln würdest, wie du sagst, aber es ist leider zu spät. Ich werde dich nicht für die Untaten deines Bruders bestrafen, aber ich befehle dir, casa real zu verlassen und Gemächer im Alkazar zu beziehen. Beatriz kann dir immer noch dienen, aber dein Hofstaat wird ab sofort von Mencia de Mendoza überwacht, die auch durchsetzen wird, dass du dich in allem fügst. Verstehst du mich? Deine Zukunft liegt in meinen Händen, Isabella. Du darfst nichts tun, was mich zwingt, gegen mein Gewissen zu handeln.«
Ich nickte bedrückt und senkte den Kopf, denn die Tränen drohten mir aus den Augen zu schießen.
»Und du wirst nicht mit deiner Mutter korrespondieren. Arévalo wird ihr weggenommen, und sie kommt in ein Kloster. Ich traue ihr nicht mehr. Sie hat dem Verrat durch Carrillo zu lange Vorschub geleistet.«
Er streckte die Hand aus. Ich beugte mich darüber und küsste seinen Siegelring. Dann erhob ich mich und entfernte mich rückwärts Schritt für Schritt, bis ich mich im Korridor wiederfand. Dort ging ich an Beatriz’ Seite weiter,
Weitere Kostenlose Bücher