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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Bittgesuch an den König. Doch Euer Seelenheil kümmerte ihn nicht. Eher das Gegenteil – hält man sich sein Treiben vor Augen. Dennoch scheint Ihr trotz der Bemühungen all dieser Personen ihrer Verderbtheit widerstanden zu haben. Euer Herz ist rein.«
    Plötzlich spürte ich die Kälte nicht mehr. Ich fühlte mich … verstanden.
    »Natürlich ist die Euch auferlegte Prüfung schwer zu ertragen«, fuhr er fort. »Ihr seid jung, unschuldig; jemand von schwächerem Glauben hätte gewankt, hätte sich der Zügellosigkeit und dem Wohlleben hingegeben, wäre der Versuchung erlegen, selbst wenn das den Verlust von Gottes Gnade bedeutet hätte.«
    Ich senkte die Augen auf den gefliesten Boden. »Es … war nicht leicht«, sagte ich leise.
    »Allerdings. Und doch müsst Ihr rein bleiben, denn noch vieles wird von Euch verlangt werden. Ihr müsst Euch auf Eure Glaubensfestigkeit verlassen in dem Wissen, dass Gott uns auch in unserer dunkelsten Stunde nicht aufgibt. Ihr müsst darauf vertrauen, dass er einen falschen König in Kastilien nicht dulden wird.«
    Ich blickte auf. Das Blau seiner Augen strahlte, als würde es von einer inneren Flamme erleuchtet. Das war das einzige Zeichen einer Empfindung in seinem ansonsten von steinerner Reglosigkeit beherrschten Gesicht.
    »Woher wisst Ihr das?«, fragte ich. »Wie könnt Ihr es wissen?«
    Er seufzte. »Der Zweifel ist die Magd des Teufels, die er zu uns geschickt hat, damit sie uns ins Verderben lockt. Enrique IV. hat seinen eigenen Thron verlassen; während sein Reich der Gottlosigkeit zum Opfer fällt, versteckt er sich. Unsere Kirche ist von Fäulnis durchsetzt, Mönche und Nonnen schwelgen in weltlicher Sünde und verhöhnen ihre heiligen Gelübde, Häretiker dürfen ungehindert ihre erbärmlichen Riten ausüben, und der Ungläubige fällt ungestraft in unseren südlichen Gebieten ein. Zwietracht und Gesetzlosigkeit gedeihen, denn unser Volk ist wie Schafe ohne Hirten. Der König weiß über all das Bescheid, tut jedoch nichts, um Abhilfe zu schaffen. Er hat sich von seiner Pflicht abgewandt und sich seiner eigenen Schwäche hingegeben. Und jetzt will er auch noch einen Bastard über uns stellen und die Thronfolge desjenigen usurpieren, der uns Rettung bringen kann. Was immer Ihr sonst denken mögt, meine Infanta, zweifelt nie daran, dass der König dem Verderben geweiht ist.«
    Mit solchen Worten hatte ich bisher nur meine Mutter von Enrique sprechen hören, und ein Teil meiner selbst wehrte sich dagegen, denn ich wollte meinen Halbbruder nicht in einem so trüben Licht sehen. Doch trotz meines Widerstrebens fühlte ich mich durch Torquemadas düstere Beurteilung in meiner eigenen Einschätzung Enriques bestätigt – auch für mich war er eine verlorene Seele und unfähig, die Bürde seiner Krone zu tragen.
    »Dennoch ist er mein König«, sagte ich schließlich, »von Gott und den Cortes zum Herrschen berufen. Soll ich denn meiner heiligen Pflicht ihm gegenüber als seine Schwester und seine Untertanin abschwören?«
    Torquemada hob eine Augenbraue. »Eure Hoheit sollen nur das tun, was Euch Euer Gewissen diktiert. Euer Bruder, der Infant, kämpft für die Rettung Kastiliens vor der Verdammnis, und Gott wird seinen Arm stärken. Doch während er mit dem Schwert ficht, müsst Ihr mit Eurem Willen kämpfen, denn die andere Seite möchte Euch bald fort aus diesem Reich in die Fremde schicken. Die Königin hat Geheimverhandlungen aufgenommen mit dem Ziel, Euch mit ihrem Bruder, König Alfonso von Portugal, zu verheiraten.«
    »Alfonso!«, rief ich, bevor ich mir auf die Zunge beißen konnte. »Aber er ist ja schon Witwer! Und er hat einen Sohn aus seiner ersten Ehe, einen Erben. Wie kann eine solche Verbindung mir oder Kastilien nützen? Egal wie viele Kinder ich ihm gebäre, ich werde nichts als seine zweite Gemahlin sein, ohne alle Rechte, es sei denn, sein erster Sohn stirbt zufällig und …« Meine Stimme erstarb, als es mir dämmerte. »Die Königin! Sie ist entschlossen, mich ins Exil zu schicken.«
    Torquemada nickte. »Sie wird das mit Sicherheit versuchen. Zuallererst muss sie Euren Anspruch auf die Nachfolge entkräften, und seid Ihr aus dem Weg, wird es kaum noch jemand wagen, ihrem Bastard die Rechte streitig zu machen. Doch Ihr seid die wahre Tochter Kastiliens; in Euren Adern fließt das altehrwürdige Blut von Königen. Und falls Euer Bruder Alfonso scheitert, müsst Ihr bereit sein, dieses Banner hochzuhalten, denn Ihr seid die Nächste in der

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