Der Schwur der Königin
dass ich nicht endlos durchhalten konnte, dass Enrique und Villena schon jetzt gegen mich, gegen uns zu Felde zogen!
»Ihr werdet den Brief selbstverständlich allein lesen wollen.« Der Admiral verneigte sich. »Mit Eurer Erlaubnis werde ich nun Carrillo die Ehre erweisen. Können wir vielleicht später zusammen speisen?«
Es gelang mir, meine Angst zu verbergen. »Ja, natürlich. Es … es wäre mir eine Ehre.«
»Die Ehre ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte der Admiral mit einer Galanterie, die mein Herz berührte. »Eure Hoheit dürfen den Glauben nicht verlieren. Mein Enkel wird den Weg zu Euch finden, selbst wenn er jeden Soldaten der französischen Armee, der sich ihm entgegenstellt, töten muss.«
Inés begleitete ihn hinaus. Allein im sala , brach ich das Siegel des Briefs. Fernandos Schrift sprang mir ins Auge – fettes, kämpferisches Schwarz auf dem Papier, Tintenflecken, die von Frustration über eine schlecht geschliffene Feder zeugten.
Meine liebste Isabella,
Deine Botschaft ist eingetroffen, und jetzt weiß ich, dass das, wovon ich schon so lange träume, von dem ich einmal glaubte, es würde vielleicht nie geschehen, nun doch wahr geworden ist. Wir werden Mann und Frau sein. Mit Worten kann ich Dir gar nicht beschreiben, welche Freude ich empfinde, noch meine Ungeduld zum Ausdruck bringen, endlich an Deiner Seite zu sein. Doch wie der edle Admiral, mein Großvater, Dir gewiss bereits gesagt hat, steht Aragón vor einer neuen schweren Prüfung, und ich kann es nicht sich selbst überlassen. Mein Vater ist trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch ein tapferer Mann und würde mich ohne Bedenken zu Dir schicken, aber was für ein Mann wäre ich dann, welche Art von Gemahl könntest du zu erwarten hoffen, wenn ich mein Reich preisgäbe, nur um meiner Sehnsucht nachzugeben? Ich weiß, dass Du so etwas nie tun würdest, und darum darf auch ich es nicht. Gott ist auf unserer Seite; diesmal werde ich Louis und seine französischen Spinnen besiegen und beflügelt zu Dir eilen. Bis dahin wisse, dass nicht eine Stunde vergeht, in der ich Dich nicht in meinem Herzen trage.
Sei tapfer, Isabella. Warte auf mich.
Eine Unterschrift gab es nicht. Sie war auch nicht nötig. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf. Ungehindert durften sie über mein Gesicht fließen und meine Enttäuschung, meine Sorgen, meine Angst und meine nagenden Zweifel wegwaschen.
Ich würde warten. Ich würde sogar dann noch warten, wenn ich selbst eine Armee zu führen hatte. Fernando und ich waren füreinander bestimmt; wir würden einen Weg finden, zusammen zu sein, egal, was dagegen sprechen mochte.
Und waren wir erst vereint, würde uns außer dem Tod nichts mehr trennen.
Ich feierte meinen achtzehnten Geburtstag ohne großes Aufhebens. Die Nachricht aus Aragón hatte meine Stimmung getrübt, und fast täglich gingen Gerüchte über irgendeine neue Gefahr für mich um. Bisher hatte sich nichts Konkretes ergeben, aber wir wussten, dass Enriques Feldzug im Süden nicht gut verlief und er bis auf Weiteres nur Drohungen ausstoßen konnte. Seine in Kastilien zurückgebliebenen Männer zeigten keine Neigung, in Valladolid einzumarschieren und den Kampf gegen das Heer des Admirals aufzunehmen. Andererseits hatte ich keinen Zweifel daran, dass Villena und seine Wölfe sich sofort auf mich stürzen würden, sobald die Lage in Andalusien bereinigt war.
Ende September, nach einem glühend heißen Sommer, der die Zuflüsse des Pisuerga hatte austrocknen und die Ernte auf den Feldern verdorren lassen, erreichte mich die Nachricht, dass meine Mutter an einem Fieber erkrankt war. Da ich sie schon seit über einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, beschloss ich, nach Arévalo zu reisen. Carrillo protestierte. Es sei unsicher, Valladolid zu verlassen, da weder er noch der Admiral für meine Sicherheit bürgen könnten, wenn ich anfinge, mich »in Kastilien herumzutreiben«. Doch fünf Monate fast täglicher Begegnungen mit dem Erzbischof hatten meine Geduld strapaziert. Mit der Antwort, dass ich schließlich nicht vorhätte, durch das ganze Reich zu ziehen, bestand ich darauf, den Besuch vorzubereiten.
Doch mitten in meine Planungen hinein fiel die Ankunft der lange erwarteten, königlichen Delegation. Mittlerweile hatte sich die Nachricht von meiner Verlobung mit Fernando im ganzen Land verbreitet; genauer gesagt, einer meiner ersten Schritte zu meiner eigenen Verteidigung hatte darin bestanden, über Rundschreiben in allen größeren
Weitere Kostenlose Bücher