Der Schwur der Königin
Dienstleistung bei Dingen, die man auch allein erledigen konnte. Selbst seine Art zu gehen oder zu reden konnte ihn als Person von höherem Rang ausweisen. Wenn Fernando auch nur einen Moment lang nicht auf der Hut war und einer von Villenas Männern etwas bemerkte, wäre das unser beider Ende. Villena war mit dem Befehl des Königs ausgestattet, Fernando wegen unerlaubten Eindringens auf kastilisches Gebiet und der verbotswidrigen Hochzeit mit einer Prinzessin unverzüglich in Haft zu nehmen.
Ich unterbrach mein rastloses Hin- und Herschreiten und hob den Blick zum Mond, der, umkränzt von Wolken, hoch am sternenübersäten Nachthimmel stand. Obwohl es bereits Oktober war, hatte die schreckliche Sommerhitze noch nicht nachgelassen. Der gelbbraune kastilische Weizen, den wir für unser Brot brauchten, war längst verdorrt, sodass alle für weite Teile des Landes eine Hungersnot voraussagten. Und als ob das nicht genügte, wütete in Ávila und Madrigal der Schwarze Tod und forderte Hunderte von Opfern. Ich hatte um Nachrichten von meiner Mutter in Arévalo gebeten, bislang aber nichts gehört. Das vermehrte natürlich meine Sorgen, dass sie und ihre betagten Bediensteten unter Mangel litten, nachdem die Pest den Handel mit Lebensmitteln zum Erliegen gebracht hatte. Die schlechten Vorzeichen häuften sich. Das wiederum spülte die Wahrsager und Untergangspropheten auf die Straßen, die prompt die Apokalypse ankündigten.
Gott, behaupteten sie, sei verärgert.
An mir konnte das nicht liegen, hielt ich mir ein ums andere Mal vor. Schließlich wollte ich diese Hochzeit nicht aus egoistischen Gründen und hatte auch nicht Fernando gebeten, Aragón meinetwegen zu verlassen. Nein, vielmehr hatte ich ihn aufgefordert zu kommen, weil die Zeit und unser Handlungsspielraum knapp wurden. Er war der Einzige, der mir helfen konnte, Kastilien zu retten. Gemeinsam würden wir viel stärker und besser in der Lage sein, Enrique zu widerstehen. Mein Halbbruder konnte es noch so sehr mit Verrat versuchen, aber waren Fernando und ich erst einmal ein Paar, würden wir Enrique zwingen, einen Kompromiss mit uns anzustreben, wenn er nicht zwei Kriege gleichzeitig führen wollte – gegen die rebellischen Granden in Andalusien und das gesamte Königreich Aragón.
Dennoch nagten Schuldgefühle an mir. Fernando hatte nicht nur einen kranken, alten Vater zurückgelassen, sondern auch eine Horde französischer Soldaten, die darauf aus war, über sein Reich herzufallen. Um meine Bitte zu erfüllen, setzte er seine Freiheit, vielleicht sogar sein Leben aufs Spiel. War ich zu voreilig gewesen? Vielleicht hätte ich warten, die Mauern meines Palastes bemannen und mich selbst wie ein Maulwurf eingraben sollen, bis der Winter vorüber war. Denn schließlich war Villena trotz seiner aufgeblasenen Reden träge; einer wie er raffte sich wohl kaum zu einer Belagerung auf, wenn die bitter kalten Wintermonate bevorstanden …
Wieder und wieder umrundete ich den Innenhof, durchmaß mein persönliches Fegefeuer. Ich hatte sogar einen verspäteten Brief an Torquemada geschrieben, ihn um Rat angefleht. In seiner Antwort hatte er mich an das erinnert, was er mir in jener Nacht in Segovia mitgeteilt hatte.
Noch vieles wird von Euch verlangt werden. Ihr müsst Euch auf Eure Glaubensfestigkeit verlassen in dem Wissen, dass Gott uns auch in unserer dunkelsten Stunde nicht aufgibt .
Wie aus dem Nichts erschien Inés im Arkadengang. »Hohe Dame, er ist da.«
Ich blieb abrupt stehen, starrte sie an, als hätte sie wirres Zeug geredet. »Wer ist da?«
»Der Prinz. Er ist im sala . Sie sind vor wenigen Minuten eingetroffen. Er verlangt nach Euch.« Sie holte meine hauchdünne Stola, die ich zerknüllt in einer Ecke hatte liegen lassen. Während sie sie mir um die Schultern drapierte, fuhr ich mir benommen durch die zerzausten Haare.
»Ihr seid von eine Mücke gestochen worden«, tadelte mich Inés. Dann befeuchtete sie sich den Finger und wischte mir den Blutfleck von der Kehle. »Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr Euch mit Lavendelöl einreiben sollt, wenn Ihr in der Nacht hinausgeht. Eine helle Haut wie die Eure zieht Mücken an.« Sie zog mich zurück in den Palast. Mein Herz schlug so heftig, dass ich glaubte, ich würde gleich in Ohnmacht fallen. Doch im Nu erreichten wir die Tür zum sala . Das flackernde Licht der Kandelaber blendete mich.
Ich blinzelte.
Im Saal machte ich mehrere Gestalten aus – Männer mit Kelchen in der Hand, dazu Doña Vivero
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