Der Schwur der Venezianerin
einer Lösung von Antimonchlorid und Königswasser. Sie machte Versuche mit Kupfervitriol und Weinstein, bereitete daraus das „Specificum purgativum Paracelsi“, das von einem der Urväter der Alchemie, Paracelsus, empfohlen wurde.
Sie studierte und praktizierte die Anwendungen der Gerätschaften aus der Alchemistenküche, die dem Nichteingeweihten fremd waren. Sie war stets auf der Suche nach dem „Astral“, nach dem Göttlichen, das den Sternen und dem Irdischen innewohnt.
Letztendlich suchte sie nach dem wahren Ich, das es zu vervollkommnen galt. In den Meisterwerken von Morienus las sie:
„Wer Gott und diesen Stein (den Stein der Weisen) hat, der hat alles und bedarf keiner anderen Hilfe: Denn in ihm ist alle zeitliche Glückseligkeit, Gesundheit und Wohlsein. Sein Geist und seine Kraft, so in ihm verborgen, ist der Geist des fünften Wesens, der unter dem Kreis des Mondes schwebt: Er beschließt die ganze Welt in sich und überwindet die Elemente. Die Höchste über alle Arzneien, das rechte Aurum potabile.“
Sie, Bianca Cappello, würde der Schöpferkraft ebenbürtig werden.
Einst war sie von Lucrezia der Stiefmutter unterdrückt worden, über den Apennin geflohen, sie war vor einem Cosimo auf den Knien gerutscht, ihren Schwur hatte sie in Venedig in den Himmel geschleudert. War sie nahe an der Erfüllung?
Wie sie es bei ihren Experimenten gelernt hatte, verfuhr sie auch bei den Schriften, die sie studierte. Sie nahm wahr, analysierte und extrahierte, nahm nur das heraus, was ihr brauchbar und nützlich erschien. Ließ anderes fort, mit dem sie nichts anzufangen wusste.
Schon der nächste Satz in derselben Schrift schien ihr unbrauchbar. Dort war zu lesen:
„Wem Gott dazu geholfen, denn ohne die eigene Schmelzung und neue Geburt geschieht es gewiss nicht, der achtet äußere Ehren, Reichtum, Lust und Eitelkeit der Welt wie Kot auf der Gasse, ………“
Sie trug diese Worte ihrem Partner in der Alchemistenküche, Francesco, vor. Er runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und sprach:
„Das sind die Dinge, die man zuvor nicht verstanden hat, was hat das eine mit dem anderen zu tun. Beschäftige dich mit der wahren und guten Lektüre.“
Er schob ihr ein Buch hin, das sie in den Formeln und Vorschriften für die Experimente unterwies.
Die Suche nach der Quintessenz, die Destillation und die Extraktion, quasi das Purifizieren war eine lange, mühsame Arbeit. Francesco und Bianca verbrachten lange Tage und Nächte in ihren Labors und eine Zeit lang kamen sie nur selten heraus. Ihre Gesichter schwebten über den heißen Dämpfen von aufgekochtem Blei und Kupfer, von Schwefel und Alkohol. Ihre Haut wurde blasser und gelber, ihre Lungen vergifteten sich mit den schädlichen Gasen. Ihr ‚Agens‘ eine gewisse treibende Kraft, wie sie ihre Experimente nannten, forschte in Bianca nach der ewigen Schönheit und der ewigen Gesundheit. Nebenan auf seinen Stuhl spürte Francesco als sein Agens die Herstellung von Gold, Silber, Edelsteinen und Porzellan, was für ihn die Macht über andere schlechthin bedeutete.
Pietro Bonaventuri stellte seine Gemahlin wieder einmal zur Rede.
„Was treibst du mit diesem Fürsten in der Küche von San Marco und dem Studierzimmer Studiolo? Geht seine Fürsorge um unser Wohl, unseren Schutz vor dem venezianischen Staat, mit dem ihm sein Vater Cosimo beauftragte, nicht ein bisschen weit?“
„Es mag dir so erscheinen, Pietro. Doch es geschieht mehr in diesen Labors, als du erahnst.“
Pietro zog seine Augenbrauen hoch, schaute sie skeptisch an.
„Was ist es also, was noch mehr geschieht? Gibt es einen Grund zur Sorge für mich. Was treibst du, wenn ich meinen Geschäften in der Bank nachgehe, wo hältst du dich auf, wenn ich in fremde Städte und fremde Länder reise?“
„Es gibt für dich keinen Grund zur Besorgnis, es geschieht nichts, was nicht mit meinem Einverständnis geschehen würde. Wir forschen wie die Wissenschaftler der Alchemie nach neuem Gold, nach Edelsteinen und nach dem Elixier der Weisen, das uns Gesundheit und ein Leben für immer schenken wird.“
„Für mich ist der Stein der Weisen die Münze, die ich in der Bank verdiene und dort vermehre. Das ist handfest. Schau dich aber selber an, du wirst blasser und deine Haut wird gelber. Ist dies das Lebenselixier, nach dem du forschst?“
„Pietro, du hast recht, wir müssen mehr zusammen sein. Ich werde das mit dem Großherzog klären“, lächelte sie ihn an.
Fürs Erste gab er sich
Weitere Kostenlose Bücher