Der Schwur der Venezianerin
Hauseingang zu treiben. Niemand hätte etwas davon bemerkt, wann sie mit wem in einem fremden Bett gelegen hätte. Sie legte keinen Wert darauf. Die fleischliche Lust war nicht ihr Ziel, noch nicht einmal der Wunsch darüber war vorhanden. Wenn, dann war die körperliche Begierde für sie nur das Werkzeug, ihre ursprünglichen Ziele zu erreichen.
Nur noch einmal unterbrach sie kurz ihren suchenden Weg, hielt an der Markusbasilika inne. Durch die Schlitzaugen ihrer karnevalistischen Maske betrachtete sie die Quadriga, die vier stolzen Pferde, die hoch über dem Westportal thronten. Ein Symbol des Sieges ihrer Venezianer Vorfahren aus dem vierten Kreuzzug von 1204. Die Künstler, die vor Jahrhunderten dieses Kunstwerk in Konstantinopel geschaffen hatten, mussten Reisende aus Venedig gewesen sein. So war es damals Zeit gewesen, diese wunderbaren Pferde in die Stadt der Väter zurückzubringen, auch wenn die Bürger Konstantinopels Zeter und Mordio schrien. Ähnlich, wie die Gebeine des Heiligen Markus, der noch vor seinem Tod geäußert hatte, dass seine Gebeine die Reise nach Venedig antreten sollten. Kaufleute hatten ihm den Gefallen getan, und die Reliquien aus einer Einsiedelei heimgebracht. Den Mönch dieser Einsiedelei galt es jedoch, mit einem Schwert zu überzeugen.
Auf ihrem Schlenderweg begegnete sie erneut dem Clown, mit dem sie das Spiel „Die Männer tanzen lassen“ bei dem Puppenspieler getrieben hatte. Die Fremde hing sich an sie und umarmte sie. Nach kurzer Zeit näherte sie sich Biancas Gesicht und ließ ihre Zunge durch ihre Maske hindurch in ihrem Mund spielen. Die beiden Frauen drückten sich fest aneinander und küssten sich herzhaft. In Biancas Adern kochte das Blut. Warum sollte sie sich dieses vielleicht einmalige Vergnügen entgehen lassen? Der weibliche Clown hakte sich bei ihr ein und zog sie über den Platz. Wohin sollte es gehen? In eine Kaschemme, auf eine Bank, unter eine aufgebaute Bühne oder vielleicht sogar zu dem Clown nach Hause?
Plötzlich riss sich Bianca los und lief in die andere Richtung zu ihrem Palazzo. Ein kurzer Blick zurück zeigte ihr wie ihr die Fremde noch einmal zuwinkte und ebenso verschwand.
Pietro Bonaventuri
Er war nicht ihr erster Kavalier. Aber einer, dem das schöne Mädchen seit dem Wunder mit den göttlichen Malern Tizian und Tintoretto nicht aus dem Sinn gegangen war. Und irgendwie gelang es ihm, erneut Zugang in den Palast zu erhalten. Eine hochoffizielle Einladung des Hauses Cappello war an seine Bank ergangen.
„Bartolommeo und Lucrezia Cappello geben sich die Ehre, anlässlich der Eröffnung eines Kontors, das Bankhaus Salviati aus Florenz bei dem großen Sommerfest begrüßen zu dürfen.“
Die Einladung kam für Pietro Bonaventuri sehr überraschend. Die Neugierde auf das Mädchen, an das er sofort dachte, aber ließ ihn nicht einen Augenblick zögern, den Wünschen derer von Cappello Folge zu leisten.
Der Festtag verlief so, wie die meisten dieser Art zu verlaufen pflegten. Bartolommeo Cappello genoss die Selbstinszenierung. Er stand auf der Bühne des Lebens. Wozu war ein solcher Tag da, wenn nicht zum Geschäfte machen und zur Pflege von Kontakten? Die Bühne und die Kulissen dieses Renaissance Theaters waren das Piano Nobile, der große Festsaal, die weitreichende Terrasse und die ausgedehnten Gärten hinter dem großen Palast.
Pietro suchte unruhig nach der Einen, die er zwar von außen auf ihrem Balkon öfter bewundert hatte, die er aber bis auf dem Künstlerfest noch niemals von Nahem gesehen hatte. Sein nervöser Blick flatterte durch die mit Fresken und Gemälden gesäumten Salons, über Statuen und ausgestellte Beutestücke hinweg, die sich hier aus nahezu allen Jahrhunderten der Neuzeit versammelt hatten. Ihm wurden Poeten und Maler, Bildhauer und Architekten vorgestellt. Sein Interesse galt nur der Einen, dem Bild seiner Träume. Es konnte kein Zufall gewesen sein, als sie sich, kaum hatte er sie vor ein paar Monaten zum ersten Mal auf dem Balkon entdeckt, errötend und lieblich unschuldsvoll ausschließlich ihren Stickereien zugewandt hatte. Nun forschte er hinter jedem Strauch in dem sommerlichen Garten und irrte doch nur enttäuscht umher.
Und dann, wieder wie zufällig, entdeckte er das Engelsgesicht, einer fein gemeißelten Marmorstatue gleich, das aus den oberen Stockwerken hinabzuschweben schien und sich eher uninteressiert als begeistert den Gästen widmen wollte. Er hörte neben sich den Hausherren sprechen.
„Bianca,
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