Der Schwur der Venezianerin
lass dich den Gästen vorstellen“, eher pflichtbewusst als liebevoll, gab sich der Vater der Aufgabe hin. Die Tochter lächelte erhaben, gelangweilt, doch spürte Bonaventuri das leichte Aufflackern ihres Blickes, das ihm ein fragendes Interesse signalisierte. Er suchte ihre Nähe, suchte das unauffällige Gespräch. Irgendwie kam er an sie heran, so als gäbe es keine anderen Bewerber.
Immerhin, auch von ihm erzählten die Mädchen in Florenz und neuerdings auch die Damen von Venedig, welch gutes Aussehen er hatte. Schließlich hatte auch Bonaventuri den Karneval reichlich genutzt, die Geilheit der venezianischen Frauen zu genießen. Schwarze Haare mit dunklen vollen Augenbrauen rahmten ein Gesicht ein, das manch eine schöne Adlige in Erinnerung erzittern ließ. Selbst die zweimal tägliche Rasur ließ seinen dunklen Bart stets durchscheinen, und seine Männlichkeit vehement auf die Damenwünsche prallen. Pietro war eher mittelmäßig groß aber seine warmen braunen Augen entfachten manche Begierde bei den Damen der Bankiers, der Fürsten und erfolgreichen Händler. Er wusste um seine Wirkung auf das weibliche Geschlecht, und doch schien die Eine, die er vor allen anderen anstrebte, unerreichbar zu sein.
Über die Kunst, Tizian, Tintoretto, über Architekten wie Ammanati und Vasari und Literaten wie Sacchetti suchte er, selbst auf wenig Erfahrung bauend, die Verbindung mit dem herrlichen, jungen Wesen zu knüpfen. Seine Erregung ließ ihn die Worte vergessen. Zornig war er schnell über sich selbst, weil sein Herz seinen Verstand aussetzen ließ. Flüssiger und galanter äußerte sich die schöne Venezianerin nach einer Weile über das Prachtwerk von Tizian „Die Venus von Urbino“, über das man zurzeit in Venedig allenthalben sein Urteil abgab.
Mit weicher, dunkler Stimme, die sein Blut in Wallung brachte, sprach sie über die schöne Frau auf Tizians Gemälde. Vergaß nicht die Vermutung zu erwähnen, was der große Künstler wohl in den Pausen mit seinem Modell gemacht hätte, wenn er mal nicht den Pinselstrich führte.
„Ein wunderschönes Gemälde, das in seiner Vollendung seinesgleichen sucht“, hörte er Bianca.
„Formvollendet ist der weibliche Körper, der hingebungsvoll auf rot-seidener Liege ruht. Welch himmlisches Geschöpf, das mit sanfter Haut, den Blicken vieler Edlen trotzt“, versuchte sich Pietro mit den Worten, die er aus dem Munde eines Kritikers vernommen hatte.
„Wer wagt es zu sagen, „sie trotzt ‘“, fuhr die junge Bianca selbstbewusst fort, „eher habe ich sie verstanden, als lade sie den gütigen Betrachter zu einer liebevollen Stunde ein. Ihr seid der Mann, ich bin die Frau. Doch gestehe ich, mein Herr, „Die Venus von Urbino“ lässt auch mein Sinnen nicht kalt. Der Blick der Dame ist nicht eisig, frömmlerisch keusch. Die Schöne scheint es als selbstverständlich zu betrachten, die Herren offen zu ermuntern, sich an ihrem Körper zu ergötzen. Die weichen goldblonden Haare umspielen volle Brüste, ein Bein verschränkt sich, einiges in der Fantasie des Betrachters mehr enthüllend als verbergend. Doch dafür, mein ehrenvoller Gast, lässt ihre linke Hand mit den schmalen langen Fingern keinen Zweifel, wo die schönsten Abenteuer zu verfolgen sind.“ Sie lachte bei ihren Worten, als wüsste sie mehr über das, von dem sie sprach.
„Ihr habt Euch lange mit dem Bild beschäftigt, habt es sorgsam studiert?“, versuchte Pietro erneut.
„Ihr redet wie ein Studiosus vor seinem Lehrer“, überfuhr sie ihn. „Pietro, warum nennt Ihr nicht die Wahrheit beim Namen? Der große Meister selbst, Tizian, hat schon in frühen Jahren neben der Anerkennung seiner Kunst erfahren, dass Bildnisse schöner Frauen, vor allem der nackten, immer einen guten Markt finden und dazu einen guten Preis. Guidobaldo II. della Rovere, Herzog von Urbino, hat die nackte Schöne sicher nicht in Auftrag gegeben, um sie als Madonna dem Papst zu schenken. Obwohl dieser nicht abgelehnt hätte“ sie sprach diese Worte mit einem zynischen Ton. „Jetzt ist Guidobaldo im Schlafzimmer die Gunst gewährt über dieses Bild im wahrsten Sinn des Wortes mit seinem geschmeidigen Geschöpfe einzuschlafen, obwohl sein Eheweib neben ihm in die Matratze schnauft.“
„Ach, er hat das Bild in seinem Schlafgemach?“, fragte Pietro unwissend.
„Na, wo sonst? Wo würdet Ihr das Bildnis unterbringen? Wohin gehörte es Eurer Meinung nach? Über einen Bankschalter?“
Ihre Antwort war ihm ein wenig zu
Weitere Kostenlose Bücher