Der Schwur der Venezianerin
nach der Zunge dieses Wundergeschöpfes, die sich gurrend im Mund bewegte, und er hätte sie liebend gerne geküsst. Wie funkelnde Diamanten sprühten ihre Augen, und die langen, hellblonden Haare, im Kreis der dunklen Schönheiten von Venedig schwangen exotisch um das frische Antlitz.
Sie drehte sich schnell wie ein Blitz und entwich dem Blick des feinen Herrn hinter einem grünen Strauch voller roter Rosen. Wie ein Knabe lief der junge Bursche hinterdrein, erfasste sie bei einer Drehung an dem Kleid, wobei er mit den Händen ihre feste Hüfte berühren konnte. Als hätte sie es nicht bemerkt, forderte sie ihn erneut auf, ihr unter den Bäumen zu folgen. Pietros Hand gelangte zum zweiten Mal auf ihrem festen Körper. Seine Erregung wuchs und mit glühenden Wangen saugte er ihr zartes Lächeln in sich auf. Da errötete Bianca gekonnt und richtete den Blick verschämt zu Boden. Jedoch entschwand sie nicht den Augen dieses dreisten Herrn. Sie blieb dort, wo sie war, gab ihm mit der Röte im Gesicht ihre Erregung zu verstehen und wich nicht einen Fuß vom Fleck.
Das alles war zu schnell für den galanten Herrn aus Florenz. Er begann zu stutzen und zu stottern, zu schauen, sich zu orientieren. Doch dann erfasste er die Hand des jungen Mädchens, ließ sie in der seinen ruhen und war überzeugt, sie müsste über seine Finger den aufgeregten Herzschlag spüren. Bianca entzog ihm ihre Hand nicht, beließ sie warm und weich in der seinen und blickte auffordernd in die dunklen Augen.
War die Tochter Venedigs, des Cappellos einziges Mädchen, bereit, sich ihm, den geringen Bankkaufmann aus der Stadt am Arno, zu verschenken? Er konnte sein Glück kaum fassen und doch gab es keinen Zweifel für ihn. Heimlich stieß er sich mit seiner Linken an den Schenkel, um die Wirklichkeit zu testen.
Langsam entzog sie ihre Hand der seinen, doch den Blick vergaß sie mitzunehmen. So waren sie für einen stillen Beobachter zwei, die sich miteinander auf Distanz gut unterhielten. Lucrezia, die eifersüchtige Stiefmutter, die dem Mädchen nicht die Schönheit und die Zuneigung gönnte, wachte gerade in diesem Augenblick über die Bewegungen der jungen Tochter. Dann aber entführte ein galanter Handelsmann die Frau des Cappello und führte sie aus Gründen geschäftlichen Kontaktes in innere Gefilde. Der Hausherr selbst sprach lüstern laut mit Bankkaufleuten und stellte sich so gut er konnte in den Vordergrund. War nicht gerade ein geeigneter Gesprächspartner vorhanden, was leidlich selten vorkam, so vergriff er sich mit den Blicken an den Busen schöner Frauen.
Bianca hatte all dies mit einem schnellen Blick erfasst, was ihr Beruhigung der Situation verhieß und wandte sich nun mit vorsichtiger Zuneigung dem jungen Mann aus Florenz zu.
„Sagt mir, mein Herr, ist es unhöflich von mir Euch jetzt erst zu fragen, welcher Abstammung ihr seid?“
„Meine Abstammung ist aus dem menschlichen Geschlecht, mein Auftrag ist Euch kennenzulernen.“
Frech, zu frech war seine Antwort, doch gefiel sie ihr. Sie lachte laut und herzhaft wegen seiner Worte.
„Gerade ja, so scheint‘s mir auch“, sinnierte sie zufrieden. „Einen Menschen hab ich erwartet, und den Auftrag hab ich selber erkannt.“
„Es ist nicht selbstverständlich, in dieser Gesellschaft den wirklichen Menschen zu begegnen“, philosophierte Pietro weiter. „Ich hab mir sagen lassen, dass sich oft genug andere Wesen unter uns mischen und nur so tun, als seien sie Mitglieder der menschlichen Rasse.“
Darauf fing Biancas Lachen ein seltsames Feuer.
„Wohl denn, Ihr habt ja recht. Oft sind die lebendigen Geister mit Nase und Mund im Gesicht, mit Händen und Füßen am Körper tatsächlich keine menschlichen Wesen. Ich selbst kenne einen sehr gut. Es ist meine Stiefmutter“, flüsterte sie leise und mit bitterem Ernst in sein Ohr. Wandte sich dann schnell zurück und lachte erneut aus vollem Hals und mit blitzendem, feuchtem Mund, der seine spöttischen Bemerkungen vergessen ließ. Verblüfft dachte Pietro nach und wusste nicht, was er nun sagen sollte. War es ihm bis dahin noch unbekannt, in welchem guten oder schlechten Verhältnis die fröhliche Dame zu ihrer Mutter stand, noch wusste er auch nicht, was er von diesem Witz halten sollte.
Sie half ihm schnell über diesen Berg hinweg.
„Macht Euch nichts daraus, es soll Eure Sinne nicht stören. Bleibt bei Euch selbst, verschenkt nicht Raum noch Zeit, bleibt Euren Zielen, Euren Wünschen treu.“
Galt das Gesagte ihm,
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