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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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über Chioggia die Hafenstadt Comacchio erreichte. Dort würden sie die bequeme Fähre verlassen müssen. Der Kapitän steuerte nach diesem letzten Hafen in der Adria direkt in das offene Mittelmeer bis nach Alexandrien.
    Doch schon am nächsten Morgen, kaum hatten sie den Hafen verlassen, wirbelten die Ausläufer einer Bora, des berühmten kalten Fallwindes von der östlichen Seite des Adriatischen Meeres die Lüfte durcheinander, dass ihnen Hören und Sehen vergingen. Das Schiff schlug und schien sich immer wieder in den Boden bohren zu wollen. Niemand kümmerte sich um sie, sie waren in ihrer Angst alleine auf sich gestellt. Der Kapitän hatte anderes im Sinn und schließlich durften sie wegen der Gefahr von anderen Mitreisenden entdeckt zu werden, nicht ihre Kajüte verlassen.
    Die Übelkeit trieb sie immer wieder über die Waschschüssel. Der Gestank des Erbrochenen verstärkte ihr Unwohlsein und aufs Neue hingen beide abwechselnd über der Schüssel, die überzulaufen drohte. Selbst die grüne Galle, die sie schließlich nur noch ausbrechen konnten, schien kein Ende zu nehmen. Sie warfen sich erschöpft auf das Bett, vergaßen ihre Liebe und würgten ein- ums andere Mal die Reste aus dem Magen.
    Verzweifelt verwünschte Pietro die heimliche Flucht, wünschte sich in sein kleines aber sehr ruhiges Bett in der schmalen Dachkammer zurück. Er konnte sich nicht ein weiteres Mal ihrer körperlichen Reize erfreuen, ließ sich von ihrem Würgen und spuckenden Geräuschen zum wiederholten Brechen verleiten.
    Zornig warf er die Schuld für sein jämmerliches Unglück ihrem überschnellen Eifer vor und wünschte sich, dieser Frau niemals begegnet zu sein. Sie lagen nebeneinander mit dem Rücken auf dem Bett und hielten sich krampfhaft an den Seiten fest. Bianca starrte gegen die Kajütdecke und sehnte sich das Ende dieser Fahrt herbei. Des Öfteren hatte selbst ihr Vater davon berichtet, dass ihm bei Schiffsreisen im Sturm und manchmal sogar bei sehr ruhigem Wetter hundeelend geworden war.
    Jede Minute auf dieser unruhigen See erschien ihr wie eine Ewigkeit, in der Gott die vielen Sünden unendlich lange strafte.
    Als das Schiff in einem Hafen anlegte, vermutete sie richtig, dass der Zielort Comacchio erreicht sei. Abgesprochen war, dass sie in der Kajüte warten und erst wieder dem Schiffsjungen nach draußen folgen sollten. Wieder wurden sie nachts auf der Seeseite über eine Strickleiter hinuntergelassen und stiegen dort in einen Kahn, der sie abholte und an Land verfrachtete.
    Nach ein paar Meter stürzte Pietro kopfüber in das Gras und blieb regungslos liegen. Die junge Frau setzte sich neben ihn und strich mitfühlend über sein dunkles Haar.
    „Es ist vorbei“, flüsterte sie. „Du hast es überstanden. Denke daran, wir sind frei, können uns frei bewegen, wir können uns lieben wann, und wie wir wollen, wir können endlich das tun, was uns behagt.“
    „Wir sind so frei, dass wir jetzt zu Fuß in dunkler Nacht in jede Himmelsrichtung marschieren können, ungeschützt gegen Wind und Wetter, ungeschützt vor Wegelagerern und Wölfen, vor Tagedieben und vor Nachthalunken und Hungerleidern.“
    „Mein Freund, was macht dich so traurig?“, fragte sie. „Was siehst du nur die dunklen Seiten unseres Daseins. Erinnere dich meines lustvollen Körpers in einem schönen, warmen Bett. Das kannst du bald wieder genießen, wenn du dich weiterhin mutig und tatkräftig zeigst, dass wir unser Ziel erreichen. Dieses Ziel aber ist Florenz, mein Pietro, dort haben wir zumindest deine Familie, die uns wohlwollend aufnehmen wird, dort sind wir gefeit vor den Verfolgungen der Cappellos und sogar der venezianischen Republik. Die Großherzöge der Toskana sind nicht gut auf die Väter der Lagunenstadt zu sprechen. Eine lang andauernde Eifersucht lässt immer wieder die Streitereien aufkeimen.
    Dort, wo er kann, wird der große Cosimo den Venezianern eins auswischen wollen. Er meint, sie seien zu ungebildet, zu überheblich und zu geldgierig“, hatte Vater immer gesagt. Doch war er sich auch sicher, dass die Florentiner gerne die Schätze Venedigs geraubt hätten, und was ihre Kunst anbelange, so seien sie einfach nur zu empfindlich, um jegliche andere Kunst genießen zu können. Ihre Empfindlichkeit aber begründeten sie mit einem tieferen Kunstverständnis.“
    Er blickte zu ihr auf und sie erkannte die Trostlosigkeit in seinen Augen. Um ihn aufzumuntern, malte sie ihm lustvollere Bilder vor:
    „Pietro. Du hast dich immer nach

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