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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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ihrer Stiefmutter, wenn sie die Flucht entdeckte. Sobald die Hexe Lucrezia ihre Abwesenheit bemerken würde, bliebe ihnen kaum Zeit zum Luftholen. Mit Boten und Spionen, mit Gardisten und gekauften Söldnern würde sie die beiden ausfindig machen wollen und sie - selbst wenn es in Ketten sein sollte - zurückbringen.
    So beschlossen sie diese falsche Fährte zu legen, und einen anderen Weg mit anderen Möglichkeiten zu nehmen. In der unscheinbaren Kammer des Pietro Bonaventuri, auf einem grob behauenen Tisch, lagen zwischen anderen Papieren die sorgfältigen Aufzeichnungen einer bis in alle Einzelheiten vorbereiteten Flucht. Das Tagebuch, wie die Abschriften der Briefe, ließen sie, als seien sie in der Eile vergessen worden, in der kleinen Wohnung Pietros liegen. Sie müssten so lange liegen bleiben, bis sie endgültig Venedig verlassen könnten.
    Er wusste noch immer nicht, wie er zwischenzeitlich Kontakt zu seiner Liebsten aufnehmen könnte. Daher war er angewiesen auf die Zufälle oder auf die Planung Biancas. Er wartete und wartete. Schon bald zweifelte er an den guten Absichten seiner Freundin.
    Entsetzt vernahm Pietro in der Bank, die Cappello Tochter sei in ein Kloster gesteckt worden.

    Auf dem Weg
    Während der Banker Pietro verzweifelt nach dem Aufenthaltsort Biancas suchte, machte sich seine Geliebte Gedanken, wie sie der Fuchtel ihrer Stiefmutter entgehen könnte? „Könnte es ihr gelingen, bevor sie auf intrigante Weise aus dem Palazzo abgeschoben würde?“
     
    Aus einer schwarzen Tür am Hinterhaus des Palazzo Cappello schwebte in der Nacht ein zarter Schatten über die schmale Steintreppe, die direkt über dem kleinen Wasserlauf endete. In der Tür blieb eine Frau zurück, die den schemenhaften Arm nach dem Geschöpf ausstreckte. Dann schloss sich die Geheimtür von selbst. Das Portal versetzte beim Zufallen dem Mädchen noch einen Stoß in den Rücken, sodass der wartende Gondoliere vor der Steintreppe Angst um seinen Fahrgast hatte. Der schweigsame Bootsfahrer nahm die zarte Fracht in Empfang und stieß ohne Gesang seinen Ruderstab in den Grund unter dem schmalen Gewässer. Lange Zeit hatte der Mann die junge Frau täglich zu ihrer Tante gefahren. Nun nahm er einen Auftrag wahr, über den er nicht sprechen sollte. Ihm war es recht, das Entgelt hoch. Er verbarg seinen Gast in einer Kabine aus schwarzem Tuch. An der nächsten Haltestelle stieg die junge Frau aus. Der Bootsführer wartete in seiner Gondel, bis seine junge Begleiterin mit einem Mann zurückkehrte. Bald schon glitten beide Flüchtlinge gemeinsam in dieser Nacht bei unsichtigem Wetter durch den Canal Grande dem außen liegenden Hafen zu. Es blies ein rauer Wind, Regen trommelte auf das Deck ihres kleinen Bootes, und es war allein der Erfahrung des Gondoliere zu verdanken, dass sie ihr Ziel erreichten. Die nächtlichen Fahrgäste hatten Mönchskutten übergeworfen und die Kapuzen tief in die Gesichter gezogen. Der Gondoliere starrte geradeaus. Ihn interessierte das Woher und das Wohin nicht. Fragen zu stellen, war nicht seine Art. Ein fürstlicher Lohn hatte ihm ohnehin den Mund verschlossen. Am Kai des Frachthafens legte das kleine Fährboot direkt an einem Frachtschiff an. Wie von Geisterhand berührt, flog auf der Wasserseite eine Strickleiter über die Reling und unmittelbar daneben eine feste Leine. Der Fährmann knotete das Gepäck seiner Passagiere an die Leine und gleich darauf wurde die Fracht an Bord gehievt.
    „Da klettere ich niemals hinauf“, maulte der junge Mann, als er direkt an den hölzernen Schiffplanken steil in die Höhe blickte, „auf halber Höhe wird mir schwindlig.“
    „Dann bleib hier“, herrschte ihn das zarte Geschöpf an und machte sich selbst an den Aufstieg.
    Als sie sich von oben umdrehte, musste sie lächeln. Sie sah ihren Freund nachkommen.
    Der Gondoliere hielt die Strickleiter fest und dachte: „Signorina Cappello, welcher Mut. Ob das alles gut geht?“
    An der Reling angekommen wurden sie von einem Schiffsjungen in Empfang genommen und in ihre Kajüte gebracht. Seit dem heimlichen Verlassen ihres Palazzos bis in die Schiffskajüte war nur wenig Zeit vergangen. Bianca drehte den Türschlüssel hinter dem Schiffsjungen herum. Sie ließ die Außenwelt Venedigs hinter sich und warf befreit die Mönchskutte auf den Boden. Mit großen Augen schien Pietro noch nicht so recht begriffen zu haben, was und wie das alles so schnell vor sich gegangen war.
    An diesem Abend mit dem ausgesprochen hässlichen

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