Der Schwur der Venezianerin
Cappello.“
„Genau das spricht für Leistung in der Familie, für ihre Umsicht, ihre Fähigkeit, sich im Leben durchzusetzen.“
„Die Familie hat ein Stammbuch, das bis ins zwölfte Jahrhundert zurückreicht. Sie sind mit den Kreuzzügen reich geworden, besitzen mehrere Paläste in Venedig, mehrere Villen auf dem Lande. Sie haben sich eindeutig gegen eine Hochzeit Biancas mit Pietro ausgesprochen. Er ist ihr zu wenig“, stellte sie dramatisch dar. „Wir bedeuten ihnen zu wenig. Sie hatten mit ihrer Tochter Größeres vor. Solche Familien betreiben Politik mit ihren Kindern.“
„Und dennoch heiratet Bianca ihn. Ein gutes Zeichen für die Liebe.“
„Ihr Vater und ihre Stiefmutter hatten für sie geplant, sie sollte einen reichen aber alten Mann heiraten. Pietro passt nicht in ihr Familienkonzept.“
„Eine schöne Romanze, Pietro hat sie schlichtweg entführt. Obwohl sein Verhalten nicht rechtmäßig ist, spreche ich unserem Sohn alle Hochachtung aus.“
„Ich habe mir die Geschichte genauer angehört. Von beiden. Von Pietro und Bianca und beiden zusammen. Er hat sie nicht entführt. Sie wäre viel zu stolz, sich entführen zu lassen. Sie hat ihn zur Flucht überredet. Sie benutzte ihn, um aus Venedig heraus und nach Florenz hinein zu kommen. Sie ist eine intrigante Spielerin. Ihre Erbschaft seitens ihrer Mutter ist ihr sicher. Das Erbe hat ihre Mutter vor ihrem Tod auf Bianca übertragen. Ihr Reichtum dürfte bei einem der großen Bankhäuser in Florenz liegen. Die Sache mit dem Kind ist nichts als ein ungewollter Unfall. Sie wollten miteinander schlafen, aber nicht gleich ein Kind haben.“
„Ich denke, du konstruierst das alles ein wenig zusammen. Wenn sie aus Berechnung Pietro heiratet, hätte sie auch aus Berechnung den alten Patrizier heiraten können.“
„Es gibt einen gewissen Unterschied. Bei dem Patrizier wäre sie in einer Löwengrube gelandet, aus der es kein Entrinnen gab. Bei Pietro ist sie die Löwin, die den Zirkus beherrscht.“
Zanobi schaute seine Frau aufmerksam an. Derart viel zusammenhangvolles Denken hatte er ihr bisher gar nicht zugetraut. „Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind lässt sie oft Großes vollbringen“, dachte er, ließ es aber unausgesprochen. Sie fuhr indes fort.
„Sie wollte aus Venedig heraus und in eine andere Metropole hinein. Da bot sich unsere Stadt mit Pietro an. Messer Zanobi, es tut mir weh, wenn ich es so sagen muss. Selbst Pietro als Person kam ihr gelegen. Schau die beiden genau an, und du erhältst die Antwort. Sie ist ihm weit überlegen. Sie lenkt ihn.“
„Das ist oft nicht das Schlechteste, wenn sich ein Mann von seiner gescheiten Frau lenken lässt.“
„Sie ist gescheit, raffiniert und hat ihre eigenen Ziele. Die wird sie erreichen, mit oder ohne Pietro. Ich habe eine schlimme Vorahnung.“
Trotz des unrechtmäßigen Verlassens seiner Arbeitsstelle in Venedig erhielt er bald vom Bankhaus Salviati eine neue Verpflichtung. Gegenüber dem Kloster San Marco, auf der anderen Seite der prachtvollen Piazza, bezogen die Flüchtlinge ein bescheidenes Haus, das ihrem Kind eine sichere Wohnstatt bieten sollte. Bianca und Pietro heirateten in kleinem, engen Kreis, und als das Kind nach ein paar Monaten geboren wurde, gab die Mutter ihm den Namen „Pellegrina“, den Namen ihrer leiblichen Mutter. Mit Hingabe schenkte die junge Frau ihrem Kind sehr viel Liebe, und die ersten Wochen erfüllten ihr Herz mit der Zuneigung zu ihrem kleinen Mädchen. Schon bald würde sie das Kind in ein Kloster zur Erziehung geben. Pietro würde viel unterwegs sein und sie selbst hatte anderes in ihrem Leben vor. Eine Erzieherin im eigenen Haus könnten sie sich nicht leisten.
Die Enge der Räumlichkeiten in ihrem Haus bedrückte sie bald. Wo waren die Feste und Gespräche mit Künstlern und Wissenschaftlern? Niemals würde sie die Unehrlichkeit ihres Mannes vergessen können, der ihr zu Beginn ihrer Freundschaft in Venedig erzählt hatte, er selbst stamme aus dem Bankhaus Salviati. Niemals auch könnte er nur annähernd ihre Wünsche und Vorstellungen eines freien, großartigen Lebens erfüllen. Ihre Gedanken über die Wünsche und Ziele ihres Daseins, ihr Vorhaben, an der Seite eines großen Mannes die Geschicke eines Landes zu steuern, wurden bald wieder wach. Sie wuchsen und nahmen in kurzer Zeit alles Streben und Trachten der jungen Venezianerin ein. Nicht in einem kleinen Steinhaus, in einem der großen, ehrwürdigen Palazzo würde sie residieren. In
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