Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
bitterkalt ist sie nicht.« Tothas schaute lange stumm auf die Spitzen seiner Stiefel und hob dann den Blick. »Eure Träume bekümmern Euch, Bahzell.« Seine Stimme klang gelassen, als träfe er eine Feststellung, und der Hradani versteifte sich, legte unwillkürlich die Ohren an und blickte auf den Speermann hinunter. Eine Minute verstrich, dann noch eine, während Tothas einfach nur schweigend zu Bahzell hochschaute und wartete.
»Aye.« Bahzell räusperte sich. »Aye, das tun sie. Ich hatte gehofft, Ihr würdet es nicht bemerken.«
»Ich glaube nicht, dass es Rekah aufgefallen ist. Was meine Herrin angeht, bin ich mir allerdings nicht sicher. Sie bemerkt vieles, was anderen entgeht. Aber ich selbst schlafe zurzeit nicht sonderlich gut.« Tothas lächelte dünn. Die Geste wirkte weder verbittert noch widerwillig, sondern beinahe ironisch. »Ich habe gehört, wie Ihr im Schlaf redet. Zwar spreche ich Eure Sprache nicht, aber die Besorgnis in Eurer Stimme war unverkennbar, und …«
Er zuckte mit den Schultern, aber seine indirekte Aufforderung schien in der Luft zu schweben. Bahzell setzte sich seufzend neben ihn und platzierte sich unbewusst so, dass er den Wind abfing, der an Tothas’ Decke zerrte. Dann rieb er sich das Kinn, dachte nach und seufzte wieder.
»Aye, Ihr habt richtig gehört, es sind Sorgen. Nein, ich will ehrlich sein, es ist sogar Furcht«, gab er zu, verblüfft darüber, wie leicht ihm sein Geständnis diesem Mann gegenüber fiel.
»Wovor?«, fragte Tothas schlicht, und Bahzell erzählte es ihm. Er schilderte ihm alles, sogar Dinge, von denen er nicht einmal zu Brandark gesprochen hatte. Natürlich, Brandark war ein Hradani. Er verstand das Entsetzen, das in diesen Träumen lauerte, ohne dass Bahzell es ihm hätte erklären müssen, aber Bahzells Furcht besaß eine Tiefe, die er nicht einmal seinem Freund hatte enthüllen können. Jedenfalls nicht mit vielen Worten und nicht mit der Offenheit, mit der er sie hier in der windigen Finsternis Tothas beschrieb.
Der Speermann hörte ihm schweigend zu und runzelte nur nachdenklich die Stirn, als Bahzell Jothan Tarlnasas Auftauchen auf dem Lastkahn schilderte. Er lachte leise über die Art, wie Bahzell Tarlnasa von Bord geholfen hatte, doch als der Hradani schließlich verstummte und auf seine leeren Fäuste starrte, räusperte sich Tothas und legte Bahzell eine Hand auf das Knie.
»Ich verstehe Eure Furcht, Bahzell«, sagte er. »Vermutlich würde ich das nicht können, wenn Ihr sie mir nicht erklärt hättet, denn Ihr und Brandark seid die ersten Hradani, die mir je begegnet sind, und wir von der Südsteppe wissen wenig von Eurem Volk. Die Weststeppe und die Gemarkung stoßen an das Gebiet der Knochenbrecher-Hradani, sodass deren Bewohner sicher mehr darüber wissen. Natürlich kennen auch die meisten Speermänner die uralten Geschichten vom Fall von Kontovar. Allerdings habe ich sie nie aus der Perspektive eines Hradani gehört. Was man Euch angetan hat, das, was Ihr die Blutrunst nennt …« Er schüttelte den Kopf und drückte Bahzells Knie fester. Dann ließ er es los und versetzte ihm einen Klaps.
»Wir alle haben bei dem Fall von Kontovar verloren«, sagte er, stand auf und drehte dem Pferdedieb den Rücken zu. Seine Stimme wurde vom Wind verweht. »Und wir alle wurden betrogen, aber keiner von uns wohl so übel wie Ihr. Ja, ich verstehe Eure Furcht, aber …« Er drehte sich um. »Vielleicht ist sie ja überflüssig. Träume müssen nicht unbedingt der Beweis für einen neuerlichen Betrug sein, und auch wenn dieser Tarlnasa ein Trottel zu sein scheint – das macht ihn noch nicht zu einem Lügner. Vielleicht sprechen ja tatsächlich die Götter zu Euch.«
»Aye.« Bahzell stand auf und starrte neben ihm in die Nacht hinaus. »Darüber habe ich ebenfalls nachgedacht. Ich will nicht abstreiten, dass ich zuerst vermutet habe, dieser Kerl wäre ein mieser kleiner Hexer, und mein Volk erinnert sich noch sehr gut an Hexer. Es mögen Altweibergeschichten sein, aber wir haben niemals vergessen, was man uns angetan hat. Doch ich glaube, diese Sache lastet schon viel zu lange auf mir, und sie wird auch nicht schwächer, obwohl sie es eigentlich sollte, bei all den Werst, die ich seitdem hinter mich gebracht habe. Vermutlich sollte ich
dankbar sein, dass es keine Hexerei ist, aber das bin ich nicht. Die Dunklen Götter haben nur Verderben über mein Volk gebracht, und was die Götter des Lichts betrifft …«
Er presste den Kiefer
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