Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
»und nicht von da oben.« Dieselbe Hand stieß in den Himmel.
»Du folgst ihnen, aber keiner von ihnen bemüht sich hierher und sagt: ›Das da ist ein guter Mensch, ich nehme die Krankheit von ihm.‹ Nicht einer von ihnen, Tothas, und trotzdem folgst du ihnen.« Er schüttelte den Kopf. »Das würde kein Hradani verstehen. Es ist nicht die Art meines Volkes, sich von anderen etwas schenken zu lassen. Wir haben auf die harte Art gelernt, dass nichts freiwillig gegeben wird, und dass man sich letzten Endes nur auf sich selbst verlassen kann. Was wir haben, das schaffen oder nehmen wir uns selbst, und wir spucken auf Götter, die keine Zeit für uns haben. In dieser Welt muss sich ein Mann um sich selbst kümmern, Tothas, und er kann von Glück sagen, wenn ihm das gelingt, denn jemand anders wird das nicht tun!«
Tothas lächelte.
»Du klingst wie ein Mann, der über das, was er sagt, wütend ist.«
»Ob es mir gefällt oder nicht, ändert nichts daran, dass es sich so verhält«, konterte Bahzell. »Das ist der Lauf der Welt, und niemand weiß das besser als ein Hradani, denn wir haben es zu oft mit angesehen. Aye, uns steht es bis obenhin!«
Der Speermann musterte ihn lange und legte dann den Kopf schief.
»Warum bist du hier, Bahzell?«, fragte er leise.
»Wie?« Bahzell schaute den Menschen fragend an.
»Warum bist du hier?«, wiederholte Tothas. »Warum hast du in einer Welt, in der sich jeder nur um sich selbst kümmern muss, und Phrobus die Letzten beißt, Lady Zarantha in Riverside gerettet, und warum bist du noch bei uns? Warum hast du uns nicht
einfach uns selbst überlassen, nachdem wir die Stadt verlassen haben?«
»Weil ich einen Schädel aus solidem Granit habe!«, erwiderte Bahzell verbittert, und Tothas lachte.
»Das glaube ich. O ja, das glaube ich dir gern, mein Freund! Aber wenn du annimmst, das wäre der einzige Grund, dann kennst du dich schlechter, als du glaubst.«
»Jetzt glaubst du, ich wäre mehr als ich bin«, erwiderte Bahzell unbehaglich. »Ich bin sicher dumm, und ich muss immer noch lernen, erst zu denken, bevor ich handele, das gebe ich gern zu! Vielleicht habe ich auch ein kleines bisschen Schneid und hänge der Überzeugung an, dass mein Wort etwas bedeutet, wenn ich es jemandem gebe. Aber ich bin kein Ritter in glänzender Rüstung. Nein, und ich habe auch nicht die geringste Lust, einer zu sein!«
»›Ein Ritter in glänzender Rüstung‹?«, fragte Tothas amüsiert, und er versetzte dem Hradani einen leichten Schlag auf den Ellbogen. »Nein, das bist du ganz sicher nicht, Bahzell Bahnakson! Die Götter mögen wissen, was du alles bist, aber ich glaube nicht, dass selbst sie dich so sehen.«
»Aye, und vergiss das ja nicht!«, erwiderte Bahzell barsch.
»Keine Sorge, das tue ich nicht«, versicherte ihm Tothas. Er zog die Decke fester um sich und erschauerte, dann drehte er sich zum Feuer um. »Aber während ich das nicht vergesse, solltest du dich vielleicht fragen, wer je gesagt hat, dass du ein solcher Ritter sein solltest. Oder warum in Tomanâks Namen die Götter so einen Geck brauchen sollten.«
Bahzell starrte ihm verblüfft nach, und der Speermann lachte leise, als er durch den eisigen Wind zu seiner Schlafrolle zurückging.
17
B EI TAGESANBRUCH fing es an zu regnen, und gegen Mittag war das vereinzelte Tröpfeln zu einem unablässigen, eisigen Wolkenbruch angewachsen, der sie bis auf die Knochen durchnässte.
Bahzell kämpfte sich durch die Regenschleier, hielt den Kopf gesenkt, um sich vor dem Wind zu schützen, während ihm sein Umhang wie ein lebendes Wesen um die Knie flatterte und ihm eine müde Litanei an Flüchen durch den Kopf ging, wenn er daran dachte, was dieser eisige Regen Tothas antat. Der Leibgardist ritt in der Mitte der Kolonne und war bis zum Kopf in seinen Umhang gehüllt. Zarantha und Rekah ritten vor ihm im Wind und versuchten vergeblich, ihn vor dem Schlimmsten zu schützen. Dass der Speermann nicht bemerkte, was sie taten, zeigte nur, wie erschöpft er sein musste, und der Pferdedieb knirschte jedes Mal mit den Zähnen, wenn Tothas wieder von einem dieser schrecklichen, krampfartigen Hustenanfälle geschüttelt wurde.
Der abschüssige Weg versank knöcheltief im Schlamm, der ihnen gleichermaßen Mut und Kraft aussaugte, und der Sturm verkürzte die Zeit, die sie reiten konnten. Bahzell suchte bereits seit dem Nachmittag nach einem geeigneten Lager, aber die Hügel waren nur von Büschen bewachsen. Sie fanden keine Bäume, die
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