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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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allemal sitzen Reiter. Auch sein Spuren tief. Pferde haben tragen müssen Last, und diese Last sein Reiter. Pferde nicht gehen neben einander in Wasser, sondern hinter einander. Auch bleiben stehen am Ufer, um zu saufen, bevor laufen hinüber. Hier aber nicht sind stehen bleiben, sondern stracks hinüber. Sind auch laufen neben einander. Das nur thun, wenn so müssen, wenn gehorchen dem Zügel. Und wo ein Zügel sein, da auch ein Sattel, worauf sitzen Reiter.«
    »Das hast Du gut gemacht!« lobte der Alte. »Ich selbst hätte es nicht besser erklären können. Ihr seht, Mesch’ schurs, daß es Fälle gibt, in welchen ein Weißer noch genug von einem Schwarzen lernen kann. Aber die beiden Reiter haben Eile gehabt, sie haben ihren Pferden nicht einmal Zeit zum Saufen gelassen. Da diese aber jedenfalls Durst fühlten und jeder Westmann vor allen Dingen auf sein Pferd sieht, so calculire ich, daß sie erst drüben am andern Ufer trinken durften. Für diese zwei Männer muß es also einen Grund gegeben haben, vor allen Dingen zunächst hinüber zu kommen. Hoffentlich erfahren wir diesen Grund.«
    Während dieser Untersuchung der Spuren hatten die Pferde das Wasser in langen Zügen geschlürft. Wir stiegen wieder auf und gelangten trocken hinüber, denn der Fluß war an dieser Stelle so seicht, daß nicht einmal die Steigbügel die Oberfläche berührten. Kaum waren wir wieder auf dem Trockenen, so sagte Old Death, dessen scharfem Auge nicht so leicht etwas entgehen konnte:
    »Da haben wir den Grund. Seht Euch diese Linde an, deren Rinde von unten, so hoch wie ein Mann reichen kann, abgeschält ist! Und hier, was steckt da in der Erde?«
    Er deutete auf den Boden nieder, in welchem zwei Reihen dünner Pflöcke steckten, die nicht stärker als ein Bleistift waren und auch die Länge eines solchen hatten.
    »Was sollen diese Pflöcke?« fuhr Old Death fort. »In welcher Beziehung stehen sie zu der abgeschälten Rinde? Seht Ihr nicht die kleinen, vertrockneten Bastschnitzel, welche zerstreut da herum liegen? Diese im Boden steckenden Pflöcke sind als Maschenhalter gebraucht worden. Habt Ihr vielleicht einmal ein Knüpfbrett gesehen, mit dessen Hilfe man Netze, Tücher und dergleichen knüpft? Nicht? Nun, so ein Knüpfbrett haben wir vor uns, nur daß es nicht aus Holz und eisernen Stiften besteht. Die beiden Reiter haben aus Bast ein langes, breites Band geknüpft. Es ist zwei Ellen lang und sechs Zoll breit gewesen, wie man aus der Anordnung der Pflöcke ersehen kann, also schon mehr ein Gurt. Solche Bänder oder Gurten aus frischem Baste aber nehmen, wie ich weiß, die Indianer gern zum Verbinden von Wunden. Der saftige Bast legt sich kühlend auf die Wunde und zieht sich, wenn er trocken wird, so fest zusammen, daß er selbst einem verletzten Knochen leidlichen Halt ertheilt. Ich calculire, daß wenigstens einer der beiden Reiter verwundet worden ist. Und nun schaut her in’s feuchte Wasser. Seht Ihr die beiden muschelförmigen Vertiefungen des Grundsandes? Da haben sich die zwei Pferde im Wasser gewälzt. Das thun nur indianische Pferde. Man hatte ihnen die Sättel abgenommen, damit sie sich wälzen und erfrischen könnten, was man den Thieren nur dann erlaubt, wenn sie noch einen anstrengenden Weg vor sich haben. Wir dürfen also mit Sicherheit annehmen, daß die beiden Reiter sich hier nicht länger verweilt haben, als zur Anfertigung des Bastgurtes nothwendig war, und dann weiter geritten sind. Das Resultat unserer Untersuchung ist also folgendes: Zwei Reiter auf indianischen Pferden, von denen wenigstens einer verwundet war, und die es so eilig hatten, daß sie drüben die Pferde nicht trinken ließen, weil sie hüben die Linde stehen sahen, deren Bast sie als Verband benutzen wollten. Nach Anlegung dieses Verbandes sind sie schnell wieder fortgeritten. Was folgt daraus, Mesch’ schurs? Strengt Ihr einmal Euer Gehirn an!« forderte der Alte mich auf.
    »Will es versuchen,« antwortete ich. »Aber Ihr dürft mich nicht auslachen, wenn ich nicht das Richtige treffe!«
    »Fällt mir gar nicht ein! Ich betrachte Euch als meinen Schüler, und von einem Lehrlinge kann man doch kein ausgewachsenes Urtheil verlangen.«
    »Da die beiden Pferde indianische waren, so vermuthe ich, daß ihre Besitzer zu einem rothen Stamme gehörten. Ich muß dabei an die Ereignisse in Fort Inge denken. Der eine der Apachen entkam, wurde aber verwundet. Winnetou ritt auch schleunigst davon, ist dem ersteren jedenfalls ohne Aufenthalt

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