Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
nachgefolgt und hat denselben, da er ein ausgezeichnetes Pferd besitzt, wohl bald eingeholt.«
»Nicht übel!« nickte Old Death. »Wißt Ihr noch etwas?«
»Ja. Es kam den beiden Apachen vor allen Dingen darauf an, so schnell wie möglich ihre Stammesgenossen zu erreichen, um ihnen die im Fort erlittene Schmach mitzutheilen und sie darauf aufmerksam zu machen, daß die Ankunft der feindlichen Comanchen baldigst zu erwarten sei. Daher ihre große Eile. Also haben sie sich erst hier Zeit genommen, die Wunde zu verbinden, zumal sie sich vorher gesagt hatten, daß am Flusse wohl Bast zu finden sei. Und daher haben sie ihren Pferden die nothwendige Erfrischung gegönnt und sind dann sofort weiter geritten.«
»So ist es. Ich bin zufrieden mit Euch. Ich halte es für gar nicht zweifelhaft, daß es Winnetou mit dem entkommenen Friedensunterhändler war. Wir kommen freilich zu spät, um draußen im Grase ihre Fährte zu finden; aber ich kann mir denken, welche Richtung sie eingeschlagen haben. Sie mußten über den Rio grande, grade wie wir, haben die gradeste Richtung eingeschlagen, was auch wir thun werden, und so calculire ich, daß wir wohl noch auf irgend ein Zeichen von ihnen stoßen werden. Nun wollen wir uns nach einem Platze umsehen, an welchem wir lagern können, denn morgen müssen wir möglichst zeitig aufbrechen.«
Sein geübtes Auge fand sehr bald eine passende Stelle, ein rund von Büschen umgebenes offenes Plätzchen, dicht mit saftigem Grase bestanden, an welchem unsere Pferde sich gütlich thun konnten. Wir sattelten sie ab und pflockten sie an den Lasso’s an, welche wir aus La Grange mitgenommen hatten. Dann lagerten wir uns wieder und hielten von dem Reste unseres Speisevorrathes ein bescheidenes Abendmahl. Auf meine Erkundigung, ob wir nicht ein Lagerfeuer anbrennen wollten, antwortete Old Death, indem er eine spöttisch pfiffige Miene zog:
»Habe diese Frage von Euch erwartet, Sir. Habt wohl früher manche schöne Indianergeschichte von Cooper und anderen gelesen? Haben Euch wohl sehr gefallen, diese hübschen Sachen?«
»Ziemlich.«
»Hm, ja! Das liest sich so gut; das geht Alles so glatt und reinlich. Man brennt sich die Pfeife oder die Cigarre an, setzt sich auf das Sopha, legt die Beine hoch und vertieft sich in das schöne Buch, welches der Leihbibliothekar geschickt hat. Aber lauft nur einmal selbst hinaus in den Urwald, in den fernen Westen! Da geht es wohl ein wenig anders zu, als es in solchen Büchern zu lesen ist. Cooper ist ein ganz tüchtiger Romanschreiber gewesen, und auch ich habe seine Lederstrumpferzählungen genossen; aber im Westen war er nicht. Er hat es ausgezeichnet verstanden, die Poesie mit der Wirklichkeit zu verbinden; aber im Westen hat man es eben nur mit der letzteren zu thun, und von der Poesie habe wenigstens ich noch keine Spur entdecken können. Da liest man von einem hübsch brennenden Lagerfeuer, an welchem eine saftige Büffellende gebraten wird. Aber ich sage Euch, wenn wir jetzt ein Feuerchen anzündeten, so würde der Brandgeruch jeden Indsman herbeilocken, welcher sich innerhalb einer um uns gezogenen Kreislinie befindet, deren Halbmesser von hier weg zwei englische Meilen beträgt.«
»Eine Stunde fast! Ist das möglich?«
»Werdet wohl noch erfahren, was für Nasen die Rothen haben. Und wenn sie es nicht riechen sollten, so wittern es ihre Pferde, welche es ihnen durch jenes fatale Schnauben verrathen, das den Thieren anerzogen ist und schon manchem Weißen das Leben gekostet hat. Darum meine ich, wir sehen heute von der Poesie eines Lagerfeuers ab.«
»Aber es steht doch wohl nicht zu befürchten, daß sich Indianer in unserer Nähe befinden, weil die Comanchen sich noch nicht unterwegs befinden können. Bevor die Unterhändler heim gekommen sind und die dann ausgesendeten Boten die Krieger der verschiedenen Stämme zusammengeholt haben, muß eine leidliche Zeit vergehen.«
»Hm! Was so ein Greenhorn doch für kluge Reden halten kann! Leider habt Ihr dreierlei vergessen. Nämlich erstens befinden wir uns eben im Comanchengebiete. Zweitens sind ihre Krieger bereits bis hinüber in’s Mexico geschwärmt. Und drittens sind auch die Zurückgebliebenen nicht erst langsam zusammen zu trommeln, sondern jedenfalls längst versammelt und zum Kriegszuge gerüstet. Oder haltet Ihr die Comanchen für so dumm, die Abgesandten der Apachen zu tödten, ohne zum sofortigen Aufbruche gerüstet zu sein? Ich sage Euch, der Verrath gegen diese Abgesandten war
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