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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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keineswegs eine Folge augenblicklichen Zornes; er war vorher überlegt und beschlossen. Ich calculire, daß es am Rio grande bereits Comanchen gibt, und befürchte, daß es Winnetou sehr schwer sein wird, unbemerkt an ihnen vorüber zu kommen.«
    »So haltet Ihr es mit den Apachen?«
    »Im Stillen, ja. Ihnen ist Unrecht geschehen. Sie sind schändlich überfallen worden. Zudem habe ich grad für diesen Winnetou eine außerordentliche Sympathie. Aber die Klugheit verbietet uns, Partei zu ergreifen. Wollen uns gratuliren, wenn wir mit heiler Haut unser Ziel erreichen, und es uns ja nicht einfallen lassen, entweder mit der einen oder der andern Seite zu liebäugeln. Uebrigens habe ich keine allzu große Veranlassung, mich vor den Comanchen zu fürchten. Sie kennen mich. Ich habe ihnen wissentlich niemals ein Leid gethan, und ich bin oft bei ihnen gewesen und ganz freundlich aufgenommen worden. Einer ihrer bekanntesten Häuptlinge, Oyo-koltsa, zu deutsch ›der weiße Biber‹, ist sogar mein besonderer Freund, dem ich einen Dienst geleistet habe, welchen nie zu vergessen er mir versprochen hat. Das geschah droben am Red River, wo er von einer Truppe Tschickasah’s überfallen wurde und sicher Scalp und Leben hätte lassen müssen, wenn ich nicht dazu gekommen wäre. Diese Freundschaft ist jetzt für uns von großer Wichtigkeit. Ich werde mich auf dieselbe berufen, wenn wir auf Comanchen stoßen und von ihnen feindselig behandelt werden sollten. Uebrigens sind wir fünf Männer, und ich hoffe, daß ein jeder von uns mit seinem Gewehre umzugehen versteht. Ehe ein Rother meine Kopfhaut sammt der Frisur bekommt, müßten vorher ein Dutzend seiner Gefährten sich Billets nach den ewigen Jagdgründen lösen. Wir müssen auf alle Fälle vorbereitet sein und uns grad so verhalten, als ob wir uns in feindlichem Lande befänden. Darum werden wir nicht alle fünf zugleich schlafen, sondern einer muß wachen, und die Wache wird von Stunde zu Stunde abgelöst. Wir loosen mit Grashalmen von verschiedener Länge, um die Reihenfolge der Wache zu bestimmen. Das gibt fünf Stunden Schlafes, woran wir genug haben können.«
    Er schnitt fünf Halme ab. Ich bekam die letzte Wache. Indessen war es Nacht und ganz dunkel geworden. So lange wir noch nicht schliefen, brauchten wir keine Wache, und zum Schlafen war keiner von uns noch aufgelegt. Wir steckten uns Cigarren an und erfreuten uns einer anregenden Unterhaltung, welche dadurch sehr interessant wurde, daß Old Death uns verschiedene seiner Erlebnisse erzählte. Ich bemerkte, daß er dieselben so auswählte, daß wir beim Zuhören lernen konnten. So verging die Zeit. Ich ließ die Uhr repetiren. Sie gab halb elf an. Plötzlich hielt Old Death inne und lauschte aufmerksam. Eins unserer Pferde hatte geschnaubt, und zwar auf eine so ganz eigenartige Weise, wie vor Aufregung und Angst, daß es auch mir aufgefallen war.
    »Hm!« brummte er. »Was war denn das? Habe ich nicht Recht gehabt, als ich zu Cortesio sagte, daß unsere beiden Klepper bereits in der Prairie gewesen seien? So schnaubt nur ein Thier, welches einen Westmann getragen hat. In der Nähe muß sich irgend etwas Verdächtiges befinden. Aber seht Euch ja nicht um, Mesch’ schurs! Zwischen dem Gebüsch ist es stockdunkel, und wenn man die Augen anstrengt, in solcher Finsterniß etwas zu sehen, so erhalten sie, ohne daß man es ahnt, einen Glanz, welchen der Feind bemerken kann. Schaut also ruhig vor Euch nieder! Ich werde selbst umherlugen und dabei den Hut in’s Gesicht ziehen, damit meine Augen nicht leicht zu bemerken sind. Horcht! Abermals! Rührt Euch nicht!«
    Das Schnauben hatte sich wiederholt. Eins der Pferde – es war wohl das meinige – stampfte mit den Hufen, als ob es sich von dem Lasso reißen wolle. Wir schwiegen, was ich für ganz natürlich hielt. Aber Old Death flüsterte:
    »Was fällt Euch denn ein, jetzt so plötzlich still zu sein! Wenn wirklich Jemand in der Nähe ist und uns belauscht, so hat er uns sprechen gehört und bemerkt nun aus dem Schweigen, daß uns das Schnauben des Pferdes aufgefallen ist und unsern Verdacht erregt hat. Also redet, redet weiter! Erzählt Euch etwas, gleich viel, was es ist.«
    Da aber sagte der Neger leise:
    »Sam wissen, wo Mann sein. Sam haben sehen zwei Augen.«
    »Gut! Aber schau nicht mehr hin, sonst sieht er auch Deine Augen. Wo ist es denn?«
    »Wo Sam haben anhängen sein Pferd, rechts bei den wilden Pflaumensträuchern. Ganz tief unten am Boden ganz schwach funkeln

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