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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Comanchen hat seinen Namen verloren und wird nie wieder einen tragen. Er zog aus, ihn sich zu holen; aber er ist in die Hände der Bleichgesichter gefallen und hat Schimpf und Schande auf sich geladen. Er bittet die weißen Krieger, ihn zu tödten. Er wird den Kriegsgesang anstimmen, und sie sollen keinen Laut der Klage hören, wenn sie seinen Leib am Marterpfahle rösten.«
    »Wir können Deine Bitte nicht erfüllen, denn wir sind Christen und Deine Freunde. Ich habe Dich gefangen genommen, weil es so dunkel war, daß ich nicht sehen konnte, daß Du ein Sohn der mit uns in Frieden lebenden Comanchen bist. Du wirst am Leben bleiben und noch viele große Thaten verrichten, so daß Du Dir einen Namen holst, vor welchem Eure Feinde erzittern. Du bist frei.«
    Er band ihm die Hände los. Ich hatte erwartet, daß der Comanche nun erfreut aufspringen werde; aber er that es nicht, er blieb liegen, als ob er noch gefesselt sei, und sagte:
    »Der Sohn der Comanchen ist doch nicht frei. Er will sterben. Stoß ihm Dein Messer in das Herz!«
    »Dazu habe ich keinen Anlaß und nicht die mindeste Lust. Warum soll ich Dich tödten?«
    »Weil du mich überlistet und gefangen genommen hast. Wenn die Krieger der Comanchen es erfahren, werden sie mich von sich jagen und sagen: Erst hatte er die Medizin und den Namen verloren, und dann lief er in die Hände des Bleichgesichtes. Sein Auge ist blind und sein Ohr taub, und er wird niemals würdig sein, das Zeichen des Kriegers zu tragen.«
    Er sagte das in so traurigem Tone, daß er mir wirklich leid that. Ich konnte zwar nicht alle seine Worte verstehen, denn er sprach ein sehr mit indianischen Ausdrücken gespicktes Englisch; aber was ich nicht verstand, das suchte ich zu errathen.
    »Unser rother Bruder trägt keine Schande auf seinem Haupte,« sagte ich schnell, ehe Old Death antworten konnte. »Von einem berühmten Bleichgesicht, wie Koscha-pehve ist, überlistet zu werden, ist keine Schande, und übrigens werden die Krieger der Comanchen es nie erfahren, daß Du unser Gefangener gewesen bist. Unser Mund wird darüber schweigen.«
    »Und wird Koscha-pehve dies bestätigen?« sagte der Indianer.
    »Sehr gern,« stimmte der Alte bei. »Wir werden thun, als ob wir uns ganz friedlich getroffen hätten. Ich bin Euer Freund, und es ist kein Fehler von Dir, wenn Du offen zu mir trittst, sobald Du erkannt hast, daß ich es bin.«
    »Mein weißer, berühmter Bruder spricht Worte der Freude für mich. Ich traue seiner Rede und kann mich erheben, denn ich werde nicht mit Schimpf zu den Kriegern der Comanchen zurückkehren. Den Bleichgesichtern aber werde ich für ihre Verschwiegenheit dankbar sein, so lange meine Augen die Sonne sehen.«
    Er erhob sich in sitzende Stellung und that einen tiefen, tiefen Athemzug. Seinem dick beschmierten Gesichte war keine Gemüthsbewegung anzusehen, aber doch bemerkten wir sofort, daß wir ihm das Herz sehr erleichtert hatten. Natürlich überließen wir es dem erfahrenen Scout, die Unterhaltung mit ihm fortzusetzen. Der Alte zögerte auch gar nicht, dies zu thun. Er sagte:
    »Unser rother Freund hat gesehen, daß wir es gut mit ihm meinen. Wir hoffen, daß er uns auch als seine Freunde betrachten und also meine Fragen aufrichtig beantworten werde.«
    »Koscha-pehve mag fragen. Ich sage nur die Wahrheit.«
    »Ist mein indianischer Bruder allein ausgezogen, vielleicht nur, um einen Feind oder ein gefährliches wildes Thier zu erlegen, damit er mit einem neuen Namen in sein Wigwam zurückkehre? Oder sind noch andere Krieger bei ihm?«
    »So viele, wie Tropfen da im Flusse laufen.«
    »Will mein rother Bruder damit sagen, daß sämmtliche Krieger der Comanchen ihre Zelte verlassen haben?«
    »Sie sind ausgezogen, um sich die Scalpe ihrer Feinde zu holen.«
    »Welcher Feinde?«
    »Der Hunde der Apachen. Es ist von den Apachen ein Gestank ausgegangen, welcher bis zu den Zelten der Comanchen gedrungen ist. Darum haben sie sich auf ihre Pferde gesetzt, um die Coyoten von der Erde zu vertilgen.«
    »Haben sie vorher den Rath der alten, weisen Häuptlinge gehört?«
    »Die betagten Krieger sind zusammengetreten und haben den Krieg beschlossen. Dann mußten die Medizinmänner den großen Geist befragen, und die Antwort Manitou’s ist befriedigend ausgefallen. Von den Lagerstätten der Comanchen bis zum großen Flusse, welchen die Bleichgesichter Rio grande del Norte nennen, wimmelt es bereits von unsern Kriegern. Die Sonne ist viermal untergegangen, seit das Kriegsbeil

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