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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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lieber Freund. Lassen wir einstweilen das Treppensteigen und nehmt ein Bad.«
    Das war mir sehr lieb, denn meine Schenkel schmerzten sehr. Er führte mich durch zwei verborgene Thüren auf den Hof; die beiden stiegen wieder hinauf. Ich ahnte nicht, wie wichtig es in kurzer Zeit werden sollte, daß der Haziendero uns die beiden Thüren gezeigt und mir den guten Rath, mich zu baden, gegeben hatte. Als die beiden die erste Gallerie erreicht hatten, stieß der Caballero einen Ruf aus und kam eilends wieder herabgestiegen. Er mußte Jemand draußen gesehen haben, denn er ging nach dem Thore, um es zu öffnen. Als ich hinausblickte, sah ich fünf Reiter im Galoppe nahen, welche dann über die Brücke herein in den Hof kamen. Sie waren prächtige, kraftvolle Gestalten, die Leute, welche der Haziendero den Pferdedieben nachgeschickt hatte.
    »Nun?« fragte er. »Ihr habt die Pferde nicht?«
    »Nein,« antwortete einer. »Wir waren ihnen bereits ganz nahe. Sie hatten unsern Fluß eben überschritten, und wir sahen aus den Spuren, daß wir sie in einer Viertelstunde einholen mußten. Da aber kamen wir plötzlich auf eine Fährte von vielen Pferden, welche von rechts her mit der ihrigen zusammenfiel. Sie waren also mit den Comanchen zusammengestoßen. Wir folgten ihnen nach und bald sahen wir Alle vor uns. Es waren weit über fünfhundert Comanchen, und an eine solche Uebermacht konnten wir uns nicht wagen.«
    »Ganz recht. Das Leben sollt Ihr nicht an einige Pferde setzen. Haben die Comanchen die Weißen freundlich behandelt?«
    »Um das zu erkennen, konnten wir nicht weit genug an sie heran.«
    »Wie ritten sie?«
    »Gegen den Rio grande.«
    »Also von hier aus vorwärts. So haben wir nichts zu fürchten. Es ist gut. Geht zu Euren Heerden.«
    Der gute Caballero befand sich in einem großen Irrthume. Es war viel zu fürchten, denn die Comanchen hatten von Gibson, wie wir dann erfuhren, gehört, daß der verwundete Apachenhäuptling sich auf der Hazienda del Caballero befinde. In Folge davon hatten sich sofort eine Anzahl rother Krieger aufgemacht, im schärfsten Galoppe nach der Hazienda zu reiten, um den Häuptling gefangen zu nehmen und Sennor Atanasio für seine apachenfreundliche Gesinnung zu bestrafen. Der letztere stieg ruhig die Treppe empor, und bald kam ein Peon herab, welcher mich bat, mit ihm zu kommen. Er führte mich zum Thore hinaus und an den Fluß. Oberhalb der Hazienda war eine Furth, wie man an den Brechungswellen des Wassers sah. Unterhalb dieser Furth aber war der Strom sehr tief. Da blieb der Peon stehen. Er hatte einen weißleinenen Anzug auf dem Arme und eine Flasche in der Hand.
    »Hier, Sennor,« sagte er. »Das wird für Euch gut sein. Wenn Ihr gebadet habt, zieht Ihr statt der ledernen Hose diese leinerne an, die Kleidungsstücke, welche Ihr jetzt ablegt, kann ich gleich mitnehmen. Wenn Ihr das Bad beendet habt, so läutet die Glocke; man wird Euch öffnen.«
    Er entfernte sich mit meinen Kleidern, und ich sprang in das Wasser. Nach der Hitze des Tages und der Anstrengung des Rittes war es eine wahre Wonne, im tiefen Strome zu tauchen und zu schwimmen. Wohl über eine halbe Stunde war ich im Wasser gewesen, als ich es endlich verließ, um dem Rathe des Peons gemäß die Flasche zu gebrauchen und dann den interimistischen Anzug anzulegen. Eben war ich damit fertig, als mein Blick auf das gegenüberliegende Ufer fiel. Zwischen die Bäume hindurch konnte ich von meiner Stelle aus nach aufwärts blicken, wo der Fluß eine Krümmung machte. Da sah ich eine lange Schlange von Reitern kommen, einer hinter dem andern, wie die Indianer so gern reiten. Schnell rannte ich nach dem Thore und läutete. Der Peon, welcher auf mich gewartet hatte, öffnete.
    »Schnell zum Caballero!« sagte ich. »Indianer kommen von jenseits des Flusses auf die Hazienda zu.«
    »Wie viele?«
    »Wohl über fünfzig.«
    Der Mann war bei meinen ersten Worten sichtlich erschrocken; als ich ihm jetzt diese Zahl nannte, nahm sein Gesicht einen beruhigteren Ausdruck an.
    »Nicht mehr?« fragte er. »Nun, da haben wir ja nichts zu befürchten. Mit fünfzig und auch noch mehr Rothen nehmen wir es schon noch auf, Sennor. Wir sind jederzeit auf so einen Besuch vorbereitet. Ich kann nicht hinauf zum Caballero, denn ich muß den Vaquero’s augenblicklich Nachricht bringen. Hier habt Ihr Eure Sachen wieder, die ich doch nicht mitnehmen kann. Riegelt hinter mir das Thor zu, und eilt zu Sennor Anastasio. Zieht aber hinter Euch die Treppen

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