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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eine sehr schöne, freundlich dreinschauende Matrone, die Sennorita ein liebliches Mädchen, ihre Enkelin, wie wir später erfuhren. Beide waren ganz in schwarze Seide gekleidet, als ob sie so eben im Begriffe gestanden hätten, bei Hof zu erscheinen. Old Death mochte nur vor Uniformen Respect haben. Er eilte auf die Damen zu und schüttelte ihnen die Hände so herzhaft, daß mir bange wurde. Die beiden Lange’s versuchten es, eine Verbeugung zu Stande zu bringen. Sam grinste am ganzen Gesichte und rief:
    »O, Missis, Missus, wie schön, wie Seide!«
    Ich aber glänzte über sie alle hinaus. Bereits beim Absteigen vom Pferde war es mir schwer geworden, auf den Erdboden zu kommen. Meine Beine waren steif und schwerfällig, so daß mir schon das Treppensteigen sehr schwer geworden war. Jede Bewegung, durch welche die Lederhose in Mitwirkung gezogen wurde, verursachte mir Schmerzen, und nun sollte ich zwei in rauschende Seide gekleidete Damen begrüßen! Ich nahm mir vor, wie ein echter Vollblutindianer allen Schmerz zu verbeißen, trat auf die Sennora zu, nahm ihre Hand auf die Spitzen meiner Finger, bückte mich, wie ich meinte, mit überwältigender Eleganz auf dieselbe nieder und zog sie an die Lippen. Die Dame ahnte nicht, daß ich bei dieser Verbeugung die Zähne zusammenbeißen mußte. Sie nahm meine Höflichkeit so wohlwollend auf, daß sie mir ihre Wange darreichte, um auf derselben den
Beso de cortesia,
den Ehrenkuß, zu empfangen, was eine große Auszeichnung für mich war. Ganz dasselbe wiederholte sich bei der Sennorita. Nun wurde wieder Platz genommen. Natürlich kam die Rede sofort auf den Zweck unsers Rittes. Wir erzählten das, was wir für nöthig hielten, auch unser Zusammentreffen mit den Comanchen. Die Herrschaften hörten uns mit größter Aufmerksamkeit zu, und ich bemerkte, daß sie einander bezeichnende Blicke zuwarfen. Als wir geendet hatten, bat Sennor Atanasio um eine Beschreibung der beiden Männer, welche wir suchten. Ich zog die Photographieen hervor und zeigte sie ihnen. Kaum hatten sie dieselben gesehen, so rief die Sennora:
    »Sie sind es, sie sind es! Ganz gewiß! Nicht wahr, lieber Atanasio?«
    »Ja,« stimmte der Caballero bei, »sie sind es wirklich. Sennores, die Männer waren in vergangener Nacht bei mir.«
    »Wann kamen und wann gingen sie?«
    »Sie kamen spät des Nachts und waren ganz ermüdet. Einer meiner Vaqueros hatte sie getroffen und brachte sie mir. Sie schliefen sehr lang und erwachten erst nach der Mittagszeit. Es ist drei Stunden her, daß sie fort sind.«
    »Schön! So holen wir sie morgen sicher ein. Wir werden ihre Spur jedenfalls finden.«
    »Gewiß, Sennor, werdet Ihr das. Sie wollten von hier aus nach dem Rio grande, um denselben oberhalb des Eagle-Passes, ungefähr zwischen dem Rio Moral und dem Rio las Moras zu überschreiten. Uebrigens werden wir noch von ihnen hören. Ich habe ihnen einige Vaqueros nachgeschickt, welche Euch ganz genau sagen werden, wohin sie geritten sind.«
    »Warum habt Ihr ihnen diese Leute nachsenden müssen?«
    »Weil diese Menschen mir meine Gastfreundschaft mit Undank belohnt haben. Sie haben mir, als sie fortgeritten sind, den Vaquero einer Pferdetruppe mit einer fingirten Botschaft gesandt und während seiner Abwesenheit sechs Pferde gestohlen, mit denen sie eiligst fort sind.«
    »Schändlich! So waren die beiden Männer nicht allein?«
    »Nein. Es war eine Schaar verkleideter Truppen bei ihnen, welche angeworbene Rekruten nach Mexico zu bringen hatten.«
    »So glaube ich nicht, daß Eure Leute die Pferde wiederbringen werden. Sie sind zu schwach gegen diese Diebe.«
    »O, meine Vaqueros wissen ihre Waffen zu gebrauchen, und ich habe die energischesten Kerls ausgewählt.«
    »Haben Gibson und William Ohlert von ihren Verhältnissen und Plänen gesprochen?«
    »Kein Wort. Der erstere war sehr lustig und der letztere sehr schweigsam. Ich schenkte ihnen alles Vertrauen. Ich wurde gebeten, ihnen die Einrichtung meines Hauses zu zeigen, und da haben sie sogar den verwundeten Indianer gesehen, den ich vor Jedermann verstecke.«
    »Ein verwundeter Rother? Wer ist er, und wie kommt Ihr zu ihm?«
    Der Caballero ließ ein überlegenes Lächeln sehen und antwortete:
    »Ja, das ist sehr interessant für Euch, Sennores! Ich beherberge nämlich den Unterhändler der Apachen, von dem Ihr vorhin erzähltet, welchen Winnetou droben am Rio Leona verbunden hat. Es ist der alte Häuptling Inda-nischo.«
    »Inda-nischo, der ›gute Mann‹, welcher

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