Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
ihn denn?« fragte der Mann schnell, ohne zu ahnen, daß er soeben an eine sehr gefährliche Angel beiße.
»Natürlich kenne ich ihn,« meinte der Alte. »Wir sind Freunde seit langer Zeit. Leider kam ich zu spät, um Euch bei ihm zu treffen, doch gab er mir die Richtung an, in welcher wir Euch treffen könnten.«
»Wirklich? So müßt Ihr freilich ein sehr guter Freund von ihm sein. Welche Richtung nannte er?«
»Die Furth zwischen dem Las Moras und Rio Moral, und dann über Baya und Tabal nach Chihuahua. Ihr seid allerdings von dieser Route ein wenig abgewichen.«
»Weil wir unsere Freunde, die Comanchen, trafen.«
»Eure Freunde? Ich denke, die Krieger der Comanchen sind Eure Gegner!«
Der Mann kam ganz sichtlich in große Verlegenheit; er räusperte sich und hustete, um Old Death ein Zeichen zu geben, welcher aber nichts zu bemerken schien. Old Death fuhr fort:
»Ihr haltet es ja mit Juarez; die Comanchen aber kämpfen für die Franzosen.«
Jetzt hatte sich der Mexicaner gefaßt. Er erklärte:
»Sennor, da irrt Ihr Euch sehr. Auch wir stehen auf der Seite der Franzosen.«
»Und schafft Angeworbene aus den Vereinigten Staaten nach Mexico?«
»Ja, aber für Napoleon.«
»Ah so! Also Sennor Cortesio wirbt für Napoleon an?«
»Natürlich! Für wen denn anders?«
»Ich denke, für Juarez.«
»Das fällt ihm gar nicht ein!«
»Schön! Ich danke Euch für diese Aufklärung, Sennor! Ihr könnt jetzt wieder an Euern Platz zurückkehren.«
Ueber das Gesicht des Mannes zuckte es zornig. Sollte er sich von diesem unscheinbaren Menschen wie ein Untergebener fortweisen lassen?
»Sennor,« sagte er, »woher habt Ihr das Recht, mich so einfach in dieser Weise gehen zu heißen?«
»An diesem Feuer sitzen nur Häuptlinge und hervorragende Personen.«
»Ich bin Offizier!«
»Des Juarez?« fragte Old Death, schnell emporfahrend.
»Ja – nein, nein, Napoleons, wie ich bereits sagte.«
»Nun, soeben habt Ihr Euch glanzvoll versprochen. Ein Offizier, zumal in solchen Verhältnissen, sollte seine Zunge doch besser bewahren können. Ich bin mit Euch fertig, Ihr könnt gehen.«
Der Offizier wollte noch etwas sagen. Da aber machte der Häuptling eine gebieterisch fortweisende Armbewegung, welcher er gehorchen mußte.
»Nun, was sagt mein Bruder jetzt?« fragte Old Death.
»Sein Gesicht klagt ihn an,« antwortete der »weiße Biber«, »aber auch das ist noch kein Beweis.«
»Du bist aber überzeugt, daß er Offizier und bei jenem Sennor Cortesio gewesen ist?«
»Ja.«
»Er muß also zu der Partei gehören, für welche Cortesio anwirbt?«
»So ist es. Beweise mir aber, daß dieser Mann für Juarez anwirbt, so bin ich befriedigt!«
»Nun, hier ist der Beweis.«
Er griff in die Tasche und zog den Paß hervor, welcher mit »Juarez« unterschrieben war. Er öffnete ihn und fuhr fort:
»Um uns selbst zu überzeugen, daß Cortesio für Juarez arbeitet und daß alle Bleichgesichter, welche zu ihm kommen, Freunde von Juarez sind, haben wir so gethan, als ob auch wir uns anwerben lassen wollten. Er hat uns angenommen und Jedem von uns einen Paß gegeben, welcher mit dem Namen Juarez unterzeichnet ist. Mein Gefährte kann Dir den seinigen ebenfalls zeigen.«
Der Häuptling nahm den Paß und betrachtete ihn genau. Ein grimmiges Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Der ›weiße Biber‹ hat nicht die Kunst der Weißen gelernt, auf dem Papiere zu sprechen,« sagte er; »aber er kennt das Zeichen ganz genau, welches er hier sieht, es ist das Totem des Juarez. Und unter meinen Kriegern ist ein junger Mann, ein Halbblut, welcher als Knabe viel bei den Bleichgesichtern gewesen ist und die Kunst versteht, das Papier sprechen zu lassen. Ich werde ihn rufen.«
Er rief laut einen Namen aus. Ein junger, hell gefärbter Mann trat herbei und nahm auf einige Worte des Häuptlings den Paß in die Hand, kniete neben dem Feuer nieder und las, zugleich übersetzend, die Worte vor. Ich verstand ihn nicht; aber Old Death’s Gesicht wurde heller und immer heller. Als der Halbwilde geendet hatte, gab er den Paß mit sichtlichem Stolz, eine solche Kunst ausgeübt zu haben, zurück und entfernte sich. Old Death steckte den Paß ein und fragte: »Soll auch mein Gefährte den seinigen zeigen?«
Der Häuptling schüttelte den Kopf.
»Weiß mein rother Bruder nun, daß diese Bleichgesichter ihn belogen haben und seine Feinde sind?«
»Er weiß es nun ganz gewiß. Er wird seine hervorragendsten Krieger sofort versammeln, um mit ihnen zu
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