Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
sie Dich getäuscht. Sie sind nach Mexico gekommen, um Juarez zu dienen. Hier sitzen meine Gefährten als Zeugen. Du weißt doch, wen der große, weiße Vater in Washington in seinen Schutz genommen hat?«
»Juarez.«
»Und daß drüben jenseits der Grenze Soldaten angeworben werden, welche man auf heimlichen Wegen an Juarez herüber sendet, weißt Du auch. Nun, zu La Grange wohnt ein Mexicaner, welcher Sennor Cortesio heißt. Wir selbst sind bei ihm gewesen, und diese beiden Männer waren seine Nachbarn und Freunde. Er selbst hat es ihnen und uns gesagt, daß er viele Männer für Juarez anwirbt, und am Tage, bevor wir zu ihm kamen, einige der bei Dir befindlichen Weißen zu Soldaten des Juarez gemacht hat. Die Andern aber sind Truppen, welche die Angeworbenen begleiten müssen. Du bist ein Feind des Juarez und hast doch mit seinen Soldaten die Pfeife des Friedens geraucht, weil sie Dich belogen haben.«
Das Auge des Häuptlings flammte zornig auf. Er wollte sprechen, doch Old Death fiel ihm in die Rede:
»Laß mich vor Dir sprechen! Also diese Bleichgesichter sind Soldaten des Juarez. Sie kamen auf die Hazienda des Sennor Atanasio, der ein Freund Napoleon’s ist. Er hatte einen hohen, alten Anführer der Franzosen als Gast bei sich. Die Bleichgesichter hätten diesen Mann getödtet, wenn sie ihn erkannt hätten. Darum mußte er sich krank stellen und sich niederlegen. Man bestrich sein Gesicht mit dunkler Farbe, um ihm das Aussehen eines Indianers zu geben. Als nun die Bleichgesichter ihn sahen und fragten, wer er sei, wurde geantwortet, er sei der ›gute Mann‹, der Häuptling der Apachen.«
Der Häuptling zog die Augenbrauen hoch. Er glaubte dem Erzähler, war aber doch so vorsichtig, zu fragen:
»Warum sagte man grad diesen Namen?«
»Weil die Apachen es mit Juarez halten. Die Bleichgesichter mußten also in diesem Manne einen Freund erkennen. Und er war alt und hatte graues Haar, welches er nicht verbergen konnte. Man wußte, daß der ›gute Mann‹ auch graues Haar hat; darum gab man ihm den Namen dieses Apachen.«
»Uff! Jetzt verstehe ich Dich. Dieser Sennor muß ein sehr kluger Mann sein, daß er auf eine solche Ausrede gekommen ist. Aber wo war der Anführer des Napoleon, als meine Krieger kamen? Sie haben ihn nicht gesehen.«
»Er war bereits wieder fort. Du siehst also, es ist nur eine Ausrede gewesen, daß Winnetou den ›guten Mann‹ gebracht habe. Die Bleichgesichter haben das geglaubt. Dann sind sie auf Dich und Deine Krieger gestoßen. Sie haben gewußt, daß die Comanchen Freunde der Franzosen sind, und sich also auch für deren Freunde ausgegeben.«
»Ich glaube Dir, aber ich muß einen sichern Beweis haben, daß sie Anhänger des Juarez sind, sonst kann ich sie nicht bestrafen, denn sie haben aus unserm Calummet geraucht.«
»Ich wiederhole, daß ich Dir diesen Beweis geben werde. Vorher aber muß ich Dir sagen, daß sich unter diesen Bleichgesichtern zwei Männer befinden, welche ich gefangen nehmen will.«
»Warum?«
»Sie sind unsere Feinde, und wir haben unsere Pferde viele Tage lang auf ihrer Spur gehabt.«
Das war die beste Antwort. Hätte Old Death eine lange Erzählung über Gibson und William Ohlert gemacht, so hätte er das nicht erreicht, was er mit den kurzen Worten »Sie sind unsere Feinde« erreichen konnte. Das zeigte sich sofort, denn der Häuptling sagte:
»Wenn sie Deine Feinde sind, so sind sie auch die unserigen, sobald wir ihnen den Rauch des Friedens wieder genommen haben. Ich werde Dir die Beiden schenken.«
»Gut! So laß den Anführer der Bleichgesichter hierher kommen! Wenn ich mit ihm rede, so wirst Du bald erkennen, wie Recht ich habe, wenn ich behaupte, daß er Anhänger des Juarez ist.«
Der Häuptling winkte. Einer seiner Krieger kam herbei und erhielt den betreffenden Befehl. Er schritt auf einen Weißen zu, sagte ihm einige Worte, und dann kam dieser zu uns, eine hohe, starke Gestalt mit bärtigem Gesicht und von martialischem Aussehen.
»Was soll ich?« fragte er, indem er uns mit einem finstern, feindseligen Blicke maß. Ich war jedenfalls von Gibson erkannt worden, und dieser hatte ihm gesagt, daß von uns nichts Gutes zu erwarten war. Meine Neugierde, zu hören, wie Old Death seinen Kopf aus der Schlinge ziehen werde, war nicht gering. Der alte, pfiffige Scout sah dem Frager mit sehr freundlichem Blicke in das Gesicht und antwortete auf das höflichste:
»Ich habe Euch von Sennor Cortesio in La Grange zu grüßen, Sennor.«
»Kennt Ihr
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