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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hießt Ihr wieder Sennor Gavilano?«
    »Das ist allerdings mein richtiger und eigentlicher Name. Was wollt Ihr überhaupt von mir? Ich habe nichts mit Euch zu schaffen. Laßt mich in Ruhe! Ich kenne Euch nicht«
    »Glaube es. Ein Polizist kommt zuweilen in die Lage, nicht erkannt zu werden. Mit dem Leugnen entkommt Ihr mir nicht. Ihr habt Eure Rolle ausgespielt. Ich bin Euch nicht von New-York aus bis hierher gefolgt, um mich von Euch auslachen zu lassen. Ihr werdet mir von jetzt an dahin folgen, wohin ich Euch führe.«
    »O! Und wenn ich es nicht thue?«
    »So werde ich Euch hübsch auf ein Pferd binden, und ich denke, daß das Thier mir dann gehorchen wird.«
    Da fuhr er auf, zog den Revolver und schrie:
    »Mann, sagt mir noch ein solches Wort, so soll Euch der Teufel auf – – –«
    Er kam nicht weiter. Old Death war hinter ihn getreten und schlug ihm den Gewehrkolben auf den Arm, daß er den Revolver fallen ließ.
    »Führt nicht das große Wort, Gibson!« sagte der Alte. »Es befinden sich hier Leute, welche sehr im Stande sind, Euch den großen Mund zu stopfen!«
    Gibson hielt sich den Arm, wendete sich um und schrie:
    »Herr, soll ich Euch das Messer zwischen die Rippen geben? Meint Ihr, weil Ihr Old Death heißt, soll ich mich vor Euch fürchten?«
    »Nein, mein Junge, fürchten sollst Du Dich nicht; aber gehorchen wirst Du. Wenn Du noch ein Wort sagst, welches mir in die Nase fährt, so niese ich Dich mit einer guten Büchsenkugel an. Hoffentlich wissen es uns die Gentlemen Dank, wenn wir sie von so einem Halunken befreien, wie Ihr seid.«
    Sein Ton und seine Haltung waren nicht ohne Einfluß auf Gibson. Dieser meinte bedeutend kleinlauter:
    »Aber, ich weiß ja gar nicht, was Ihr wollt. Ihr verkennt mich. Ihr verwechselt mich mit einem Andern!«
    »Das ist sehr unwahrscheinlich. Du hast ein so ausgesprochenes Spitzbubengesicht, daß es nie mit einem andern verwechselt werden kann. Und übrigens sitzt der Hauptzeuge gegen Dich hier neben Dir.«
    Er deutete bei diesen Worten auf William Ohlert.
    »Der? Ein Zeuge gegen mich?« fragte Gibson. »Das ist wieder ein Beweis, daß Ihr mich verkennt. Fragt ihn doch einmal!«
    Ich legte William die Hand auf die Schulter und nannte seinen Namen. Er erhob langsam den Kopf, stierte mich verständnißlos an und sagte nichts.
    »Master Ohlert, Sir William, hört Ihr mich nicht?« wiederholte ich. »Euer Vater sendet mich zu Euch.«
    Sein leerer Blick blieb an meinem Gesichte haften, aber er sprach kein Wort. Da fuhr Gibson ihn in drohendem Tone an:
    »Deinen Namen wollen wir hören. Nenne ihn sofort.«
    Der Gefragte wendete den Kopf nach dem Sprecher und antwortete halblaut und in ängstlichem Tone wie ein eingeschüchtertes Kind:
    »Ich heiße Guillelmo.«
    »Was bist Du?«
    »Dichter.«
    Ich fragte weiter:
    »Heißt Du Ohlert? Bist Du aus New-York? Hast Du einen Vater?« Aber alle Fragen verneinte er, ohne sich im mindesten zu besinnen. Man hörte, daß er abgerichtet war. Es war gewiß, daß, seit Ohlert sich in den Händen dieses raffinirten Mannes befand, sich sein Geist mehr und mehr umnachtet hatte.
    »Da habt Ihr Euern Zeugen!« lachte der Bösewicht. »Er hat Euch bewiesen, daß Ihr Euch auf einem falschen Wege befindet. Also habt die Gewogenheit, uns von jetzt an ungeschoren zu lassen!«
    »Will ihn doch um etwas Besonderes fragen,« sagte ich. »Vielleicht ist sein Gedächtniß doch noch stärker als die Lügen, die Ihr ihm eingepaukt habt.«
    Mir war ein Gedanke gekommen. Ich zog die Brieftasche hervor, durch deren Verschluß das Wasser beim heutigen Bade nicht gedrungen war. Ich hatte das Zeitungsblatt mit Ohlert’s Gedicht in derselben, nahm es heraus und las langsam und mit lauter Stimme den ersten Vers. Ich glaubte, der Klang seines eigenen Gedichtes werde ihn aus seiner geistigen Unempfindlichkeit reißen. Aber er blickte fort und fort auf sein Knie nieder. Ich las den zweiten Vers, ebenso vergeblich. Dann den dritten:
     
    »Kennst du die Nacht, die auf den Geist dir sinkt,
    Daß er vergebens um Erlösung schreit,
    Die schlangengleich sich um’s Gedächtniß schlingt
    Und tausend Teufel in’s Gehirn dir speit?«
     
    Die letzten beiden Zeilen hatte ich lauter als bisher gelesen. Er erhob den Kopf; er stand auf und streckte die Hände aus. Ich fuhr fort:
     
    »O sei vor ihr ja stets in wachen Sorgen – – –
    Denn diese Nacht allein hat keinen Morgen!«
     
    Da schrie er auf, zu mir hinspringend und nach dem Blatte greifend. Ich ließ es ihm. Er

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