Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Häuptling stand auf und die beiden andern mit ihm. Er trat Old Death entgegen, reichte ihm ganz nach der Art der Weißen die Hand und sagte in freundlich ernstem Tone:
»Mein Bruder Old Death überrascht die Krieger der Comanchen. Wie hätten sie ahnen können, ihn hier zu treffen. Er ist willkommen und wird mit uns gegen die Hunde der Apachen kämpfen.«
Er hatte, wohl damit auch wir ihn verstehen können, im Mischjargon gesprochen. Old Death antwortete in eben demselben:
»Der weise Manitou leitet seine rothen und bleichen Kinder auf wunderbaren Wegen. Glücklich ist der Mann, welcher auf jedem dieser Wege einem Freunde begegnet, auf dessen Wort er sich verlassen kann. Wird der ›weiße Biber‹ auch mit meinen Gefährten die Pfeife des Friedens rauchen?«
»Deine Feinde sind auch meine Feinde, und wen Du liebst, den liebe auch ich. Sie mögen sich an meine Seite setzen und aus dem Calummet des Häuptlings der Comanchen den Frieden trinken.«
Old Death setzte sich nieder, und wir folgten seinem Beispiel.
Nur der Schwarze trat zur Seite, wo er sich ebenfalls im Grase niederließ. Die Rothen standen stumm und bewegungslos wie Statuen im Kreise. Die Gesichtszüge der einzelnen Weißen zu erkennen, war mir unmöglich. Der Schein des Feuers reichte dazu nicht aus. Oyo-koltsa band sein Calummet vom Halse, stopfte den Kopf desselben voll Tabak aus dem Beutel, welcher ihm am Gürtel hing, und brannte ihn an. Nun folgte fast ganz genau dieselbe Ceremonie, welche beim Zusammentreffen mit seinem Sohne stattgefunden hatte. Nun erst gewannen wir die Gewißheit, keine Feindseligkeiten seitens der Comanchen befürchten zu müssen.
Während wir vor dem Lager warten mußten, hatte der Anführer der Fünfzig dem Häuptling über uns Mittheilung gemacht, wie wir jetzt aus dem Munde des letzteren hörten. Er bat Old Death, ihm nun auch seinerseits zu erzählen, wie die Angelegenheit sich zugetragen habe. Der Alte that es in einer Weise, daß weder auf uns, noch auf Sennor Atanasio ein Mißtrauen fallen konnte.
Der »weiße Biber« blickte eine Zeit lang sinnend vor sich nieder und sagte dann:
»Ich muß meinem Bruder Glauben schenken. Selbst wenn ich zweifeln wollte, finde ich in seiner Erzählung nichts, woraus ich schließen könnte, daß er mich täuschen will. Aber auch dem andern Bleichgesicht muß ich trauen, denn er hat keinen Grund, die Krieger der Comanchen zu belügen, und eine Lüge würde ihm das Leben kosten. Er befindet sich bei uns und hätte sich längst von uns entfernt, wenn er uns die Unwahrheit gesagt hätte. Ich kann also nichts Anderes denken, als daß Einer von Euch sich getäuscht hat.«
Das war sehr scharfsinnig gedacht, nämlich von seinem Standpunkte aus. Old Death mußte vorsichtig sein. Wie leicht konnte der Häuptling auf den Gedanken kommen, noch einmal eine Abtheilung zurückzusenden, um den Haziendero des Nachts zu überraschen! Am allerbesten war es, eine glaubliche Erklärung des vermutheten Irrthums zu geben. Das dachte auch der Scout. Darum sagte er:
»Eine Täuschung liegt allerdings vor; aber nicht ich, sondern das Bleichgesicht wurde getäuscht. Wo wäre der Mann, welcher Old Death zu täuschen vermöchte! Das weiß mein rother Bruder auch.«
»So mag mein Bruder mir sagen, wie sich die Sache zugetragen hat!«
»Zunächst muß ich da sagen, daß der Häuptling der Comanchen selbst getäuscht worden ist.«
»Von wem?« fragte der »weiße Biber«, indem er plötzlich ein sehr ernstes Gesicht machte.
»Von den sämmtlichen Bleichgesichtern, welche Du bei Dir hast, vermuthe ich.«
»Auf eine Vermuthung darf ich nicht hören. Gib mir den Beweis! Wenn die mich täuschen, mit denen wir die Pfeife des Friedens geraucht haben, so müssen sie sterben!«
»Also nicht nur die Friedenshand hast Du ihnen gegeben, sondern sogar das Calummet mit ihnen geraucht? Wäre ich bei Dir gewesen, so hätte ich Dich gehindert, es zu thun. Ich werde Dir den verlangten Beweis geben. Sage mir, wessen Freund Du bist, etwa des Präsidenten Juarez?«
Der Gefragte machte eine wegwerfende Handbewegung und antwortete:
»Juarez ist eine abgefallene Rothhaut, welche in Häusern wohnt und das Leben der Bleichgesichter führt. Ich verachte ihn. Die Krieger der Comanchen haben ihre Tapferkeit dem großen Napoleon geliehen, welcher ihnen dafür Waffen, Pferde und Decken schenkt und ihnen die Apachen in die Hände gibt. Auch die Bleichgesichter sind Napoleon’s Freunde.«
»Das ist eben eine Lüge. Damit haben
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